Der Orthopäde – kein Anachronist

Die Digitalisierung hat uns Ärzte nicht nur erreicht, sie hat begonnen, unseren medizinischen Alltag positiv zu beeinflussen. Von der Auswahl des Arztes bis zum Abschluss der Rehabilitation gibt es kaum einen Schritt, der nicht digitale unterstützt, begleitet, oft optimiert werden kann. Sei es die Bildgebung, die Bewegungsanalyse, der optimierte Einsatz der Endoprothetik sowie die häusliche Rehabilitation werden zunehmend von digitalen Helferlein unterstützt. Doch bei alledem sitzt immer der Arzt am Steuer, im sogenannten Driver’s Seat – zurecht. Es ist daher umso wichtiger für uns Ärzte, sich mit diesen Lösungen detailliert zu befassen, um unseren Patienten die besten Lösungen empfehlen zu können.

Gleichzeitig bleibt die Evidenzbasis heterogen. Gerade bei den DiGAs stehen astronomische Kosten einem marginalen Nutzen gegenüber. Einige Lösungen entstehen im interessanten Spannungsfeld von Technikbegeisterung, ökonomischem Druck und regulatorischen Vorgaben. KI-Ansätze in Bildgebung sind im Einsatz, in der Bewegungsanalyse in Studien, doch der Nachweis eines belastbaren Nutzens im Versorgungsalltag – mit klinischen Endpunkten, patientenrelevanten Outcomes und gesundheitsökonomischen Effekten – steht häufig noch aus.

Auf Systemebene treffen digitale Innovationen auf vertraute Hürden: fragmentierte, oft veraltete IT-Landschaften, fehlende Interoperabilität, strenge Datenschutzanforderungen sowie komplexe Zulassungs- und Erstattungswege. Strategiepapiere zur digitalen Gesundheit betonen die Chancen vernetzter Datenräume, telemedizinischer Versorgung und KI-gestützter Entscheidungsunterstützung, doch im Alltag dominiert vielerorts noch der Medienbruch statt einer durchgängigen digitalen Prozesskette. Papier statt praxisrelevanter IT, Hürden statt Brücken – all das greifen wir auf und gehen wir wissenschaftlich fundiert an.

Digitalisierung ist nicht nur eine technologische, sondern eine kulturelle Aufgabe. Digitale Werkzeuge verändern Rollenbilder, Entscheidungsprozesse und Verantwortlichkeiten im Behandlungsteam und erfordern neue Kompetenzen – von der Datenkompetenz bis zum reflektierten Umgang mit algorithmischen Empfehlungen. Gleichzeitig drohen Bildschirmzeit und Dokumentationsaufwand wertvolle Zeit am Patientenbett weiter zu verdrängen, wenn Implementierung, Governance und Vergütung nicht konsequent am klinischen Mehrwert ausgerichtet werden.

Lasst uns mit den zeitintensiven Themen starten: Paperwork und Bürokratie. Die berühmten 100 Tage. 100 Tage? Ja, 100 Tage verbringt ein durchschnittlicher Arzt im Jahr mit Bürokratie, Dokumentation und Paperwork. Bis zum 9. April, wenn er jeden Tag arbeitet. Ansonsten klassische 20 Wochen. Bis Mitte Mai also. Das muss nicht sein, das kann die KI übernehmen, das ist heute schon gelöst. Wir müssen es nur wagen, einsetzen, machen, dann haben wir es. In Deutschland fehlen angeblich 10.000 Ärzte – ich sehe das anders: wir müssen lernen, die Ärzte, die wir haben per KI zu entlasten und deren Know-How smart einzusetzen.

Liebe Kollegen, wagen wir es: probieren wir neue Technologien, testen wir, was es gibt, entwickeln wir es weiter. Wir alle wissen: ein Arzt an der Tastatur ist eine Ressourcenfehlallokation, wir alle haben diesen wunderbaren Beruf ergriffen, um unseren Patienten zu helfen – optimal unterstützt durch die richtige Technologie.

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Prof. Dr. med. Dominik Pförringer