Der Gesundheitskiosk – Eine Brücke zur Gesundheitskompetenz?

„Ich weiß nicht, wofür ich diese Tabletten nehme.“, „Ach, dafür brauche ich eine Überweisung?‘‘, „Ich muss mit dem Entlassungsbrief zu meinem Hausarzt?“, „Ich muss meinen Lebensstil verändern wegen meiner chronischen Erkrankung?“, „Was sind präventive Maßnahmen?“ Es sind grundsätzliche, naheliegende Fragen wie diese, die Menschen im Gesundheitskiosk stellen – und die zeigen, dass es oft an der sogenannten „Gesundheitskompetenz“ fehlt. Aktuell und in Zukunft wird Gesundheitskompetenz immer wichtiger, nicht nur wegen der Digitalisierung unseres Gesundheitswesens. Gesundheitskompetenz bezeichnet die Fähigkeit, Gesundheitsinformationen zu verstehen, zu bewerten und anzuwenden, um informierte Entscheidungen zu treffen und gesund zu bleiben oder Krankheiten vorzubeugen. Eine verbesserte Gesundheitskompetenz kann zu einer effizienteren Gesundheitsversorgung, einer Steigerung des Wohlbefindens und auch zu geringeren Kosten führen. Insgesamt fallen drei bis fünf Prozent der Gesundheitsausgaben pro Jahr auf unzureichende Gesundheitskompetenz zurück. In Deutschland entspricht dies einem Betrag im zweistelligen Milliardenbereich, etwa neun bis 15 Milliarden Euro pro Jahr. Daher sollte das Gesundheitssystem möglichst barrierefrei und zugänglich gestaltet werden, um allen Menschen die Möglichkeit zu geben, sich gesundheitskompetent zu verhalten. Die Gesundheitskioske in Essen stellen nicht nur ein innovatives und integratives Konzept für die Gesundheitsversorgung dar, sondern fungieren auch als wegweisendes Element, das zur Förderung der Gesundheit in der Gemeinschaft beiträgt. Das Alleinstellungsmerkmal der Gesundheitskioske liegt in der Stärkung der Gesundheitskompetenz, durch die Menschen befähigt werden, sich im Gesundheitswesen zu orientieren und fundierte gesundheitliche Entscheidungen zu treffen. Das Team des Gesundheitskiosks Essen bietet Gesundheitsberatung in mehreren Sprachen an, dient als Bindeglied zwischen medizinischen und sozialarbeiterischen Perspektiven und verfügt über eine breite Palette an Qualifikationen (medizinische Grundausbildung und zusätzliches gesundheitswissenschaftliches Studium oder ein Studium der sozialen Arbeit). Das Essener Modell zeichnet sich besonders durch seine Kombination aus dem niederschwelligen Angebot und der aufsuchenden Arbeit aus. Neben der Beratung im Gesundheitskiosk werden persönliche Kontakte zu den Menschen im Bezirk hergestellt, um besonders schwer erreichbare Zielgruppen anzusprechen und damit auch einen Beitrag zum vorherrschenden Präventionsdilemma zu leisten. In den Be- ratungen werden die Menschen ganzheitlich betrachtet; Gesundheit und Soziales werden miteinander verbunden. Immer unter der Prämisse, Hilfe zur Selbsthilfe zu ermöglichen, die Menschen an den Schnittstellen zwischen ärztlicher Behandlung, ihrem Zuhause und ggfs. dem Bereich Krankenhaus-Reha aufzufangen und ihnen den weiteren Weg zu weisen. Das jeweilige Konzept eines Gesundheitskiosks kann sich je nach Standort in einzelnen Punkten unterscheiden und sollte immer einer vorherigen Analyse der Versorgungssituation in der jeweiligen Kommune unterliegen. Hierbei ist es wichtig, keine Doppelstrukturen zu schaffen. Der Gesundheitskiosk in Essen fungiert als Dreh- und Angelpunkt vor Ort und arbeitet mit verschiedenen gesundheitlichen und sozialen Beratungsstellen, der Ärzteschaft, den Apotheken, Akteuren aus den Bezirken und dem öffentlichen Gesundheitsdienst eng zusammen Aktuell wird das Thema ,,Gesundheitskioske‘‘ auf politischer Ebene im Rahmen des Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetzes (GVSG) diskutiert. Die zunächst ca. 200 geplanten Gesundheitskioske sollten rund 60 Millionen Euro zusätzliche Kosten für die gesetzlichen Krankenkassen verursachen. Dies entspräche ca. 0,015 Prozent der derzeitigen Ausgaben im Gesundheitswesen. Angesichts des Ziels, ein niedrigschwel- liges, multidimensionales und ganzheitliches Konzept in der Praxis zu etablieren, das nicht nur die Gesundheitskompetenz, sondern auch die Prävention stärken soll, und im Ver- gleich zu den Gesamtausgaben im Gesundheitswesen sowie den durch eine unterentwickelte Gesundheitskompetenz entstehenden Kosten sind das überschaubare Investitionen. Zumal das Gesundheitssystem einem kontinuierlichen Wandel unterliegt und sowohl gegenwärtig als auch in Zukunft ein reindiagnostischer Ansatz und eine zeitlich begrenzte Konsultation nicht mehr ausreichen werden, um Gesundheit zu fördern und Krankheiten zu verhindern. Der Fokus muss verstärkt auf Beratungsangeboten liegen, die in Form von integrativen und kultursensiblen Versorgungskonzepten bereitgestellt wer- den, um allen Menschen Gesundheitsthemen nahezubringen. Aufgrund der vermeintlich zu hohen Kosten, sowie der behaupteten Doppelstrukturen wurden die Gesundheitskioske vorerst vollständig aus den Referentenentwürfen gestrichen.

Vorheriger Artikel Nächster Artikel
>> Gesundheitskioske könnten die Nische jeder Kommune im gesundheitlichen Bereich füllen - Anpassungsfähigkeit ist hier das Wichtigste. <<
Nicole Ginter