Gott sei Dank - KI wird den Risikofaktor Mensch reduzieren
Der Angriffskrieg Putins gegen die Ukraine steht in unserem Land zurecht unverändert im Mittelpunkt der medialen Aufmerksamkeit. So ist es einerseits verständlich, dass die künftigen Auswirkungen von ChatGPT von vielen Bürgerinnen und Bürgern noch gar nicht erfasst, geschweige denn bewertet werden können. Andererseits ist es überraschend, wie intensiv schon heute zu diesem Thema diskutiert wurde und wird. Dies zeigt, da passiert etwas ganz Großes. Wir erleben aktuell, wie die Künstliche Intelligenz, die viele weit entfernt hinter den Bergen Chinas vermuteten, obwohl sie allgegenwärtig ist, Tag für Tag auch unseren Alltag deutlich beeinflussen wird. Gott sei Dank kann ich da nur sagen, kenne ich die Risiken vom Faktor Mensch mit unzähligen Fehlern im Gesundheitswesen nur zu gut. Viele davon werden durch Kolleginnen und Kollegen korrigiert, solange diese noch da sind. Immer noch haben wir Fehldiagnosen im zweistelligen Bereich, individuelle Fehlentscheidungen und Fehlhandlungen in nicht vorstellbarer Zahl.
Nein, ich will den Menschen weder im Kontext von Prävention noch Diagnostik, Therapie, Nachsorge oder Sterbebegleitung abschaffen. Ich will diejenigen, die ihr Berufsleben anderen Menschen nicht selten aufopfern, stärken, ich möchte sie nicht länger sehenden Auges am Rande - oder über diesen hinaus – von Überlastung arbeiten lassen. Ich will, dass Entscheidungsunterstützungssysteme wie zum Beispiel ADA HEALTH in den Alltag unserer ärztlichen Weiterbildungsassistentinnen und -assistenten als Selbstverständlichkeit Einzug halten. Weil eben nicht zu jeder Zeit eine Oberärztin oder ein Oberarzt korrigierend zur Seite steht und stehen wird, um vielleicht sogar lebensgefährliche Denkfehler zu vermeiden.
Oft geht es dabei gar nicht um Denkfehler aufgrund mangelnden Wissens. Vielfach sind es Folgen von Überlastungen unterschiedlichster Art. Das reicht von körperlicher Erschöpfung bis zur nächtlichen Auseinandersetzung mit dem Lebenspartner. Dennoch, das Wissen oder Unwissen sind und bleiben die entscheidenden Faktoren einer rational basierten medizinischen Entscheidungswelt.
Wir müssen ehrlich werden und uns von Idealwelten lösen. Viele junge, manchmal leider auch ältere Ärztinnen und Ärzte sind nicht auf dem Wissenslevel, den die Patientinnen und Patienten erwarten dürften. Nein, das ist kein Bashing gegen die Ärzteschaft. Ich hatte als Arzt selbst Wissenslücken.
Uns fehlen aber noch Systeme, mit denen wir berufslebenslang Wissenskontrollen vornehmen, so wie auch Berufspiloten überprüft werden. Auch hierbei können und müssen künftig Maschinen unterstützen. Schließlich geht es um die Gesundheit und vielleicht das Leben des einzelnen Menschen.
Richtig, all diese Erwartungen können aktuell von ChatGPT und anderen KI-basierten Systemen noch nicht erfüllt werden. Aber glauben Sie wirklich, dass dieses in einem Jahr immer noch vergleichbar gilt? Dass zusammenfassende Analysen aller Patientendaten in fünf Jahren von den Hausärztinnen und Hausärzten immer noch besser getätigt werden als von der Künstlichen Intelligenz? Niemals! Wie ich so etwas behaupten kann, wo aktuell noch eine Reihe von Ärztinnen und Ärzten selbst die Brot-und-Butter-Digitalisierung für Zukunftsmusik hält? Weil ich weiß, dass der Mensch sein Verhalten durch Bequemlichkeit schneller verändert als man es glauben mag. Eine solch lange Zeit, wie wir uns an das Navigationssystem im Auto gewöhnt haben, wird es künftig nicht mehr geben. Es verändert sich ab sofort alles viel schneller, ob wir es möchten oder nicht. Die Menschen werden diese Systeme nutzen, so wie es die Schülerinnen und Schüler schon heute tun, bei den Hausaufgaben, die folglich von den Lehrkräften nochmals hinterfragt werden müssen. Zum Beispiel könnte sich eine Aufgabenstellung dahin ausrichten, die Quellen vom ChatGPT zu identifizieren und zu bewerten. Das sind definitiv neue Herausforderungen für Etablierte und Lehramtsstudierende.
Und jetzt setze ich noch einen drauf. Künstliche Intelligenz wird eben auch die Patientinnen und Patienten dazu befähigen, ärztliche Entscheidungen und Handlungen zu hinterfragen, begleiten zu lassen und vielleicht auch zu kritisieren. Zum Glück! Wir brauchen den smarten, die informierten Patientinnen und Patienten.
Ich bin davon überzeugt, dass der Einsatz von Künstlicher Intelligenz in bestimmten Diagnostik- und letztendlich auch Behandlungsprozeduren verpflichtend werden wird. Und das ist auch gut so, könnten Menschen ansonsten sterben. Ja, ich höre förmlich, was manche von Ihnen denken. Die Maschine kann auch tödlich endende Fehler machen, wie der Tesla in der Wüste. Richtig, aber sie werden immer seltener auftreten als es den Menschen ohne KI-Unterstützung unterlaufen würde, weil das Wissen in der Medizin auch in seinem Spezialgebiet von niemandem mehr zu überblicken sein wird.
Datenerfassung, Rechnergeschwindigkeit und Künstliche Intelligenz werden die Medizin in den nächsten zehn Jahren mit einem Quantensprung verbessern! Das ist so, ohne jeden Zweifel!
Und wo bleibt der Faktor Mensch? Genau da, wo er hingehört, beim Menschen und nicht in der Datenanalytik. Der Mensch muss erklären. Er muss durch schwerste Lebensphasen begleiten, mitfühlen. Er muss beraten und er muss menschlich agieren. Der Faktor Mensch entwickelt sich dank der Künstlichen Intelligenz vom aktuell größten Risikofaktor im Gesundheitswesen zum wertvollen Menschenbegleiter und in manchen Fällen vielleicht sogar -freund. Auf diese Aufgaben müssen die in Gesundheitsberufen Beschäftigten vorbereitet werden, mit ergänzenden Einblicken in die Psychologie, Ethik, Philosophie Anthropologie, Hermeneutik und in weitere Disziplinen. Ob wir schon heute darauf vorbereitet sind? Sicherlich nicht, wird ja noch an der Approbationsordnung im Kontext der Initiative Medizinstudium 2020 gearbeitet.
Lassen Sie uns die genannten und viele weitere Entwicklungen rund um die Digitalisierung im Gesundheitswesen, insbesondere um die Künstliche Intelligenz aufmerksam, kritisch und auch abwägend begleiten. Immer den Blick auf das Hier und Jetzt richtend, auf Chancen und Risiken in einer Arbeitswelt mit all den Besonderheiten der 2020er Jahre.
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