Künstliche Intelligenz in der Kardiologie

Herz-Kreislauferkrankungen verantwortlich für meisten Todesfälle

Erkrankungen des Herz- Kreislaufsystems sind verantwortlich für die meisten Todesfälle in Deutschland. Im Jahre 2021 machten Herz-Kreislauftote 33% der Todesfälle aus, dicht gefolgt von Krebstoten mit 28%. Durch Modifikation und Kontrolle der beeinflussbaren kardiovaskulären Risikofaktoren wie z.B. Nikotinabusus, Diabetes, hoher Blutdruck, Adipositas etc. lassen sich Anzahl und Ausmaß von Herz-Kreislauferkrankungen reduzieren. Jedoch sind hier die Grenzen des Erfolgs schnell erreicht. 

Der Moonshot „Longevity“ verlangt nach disruptiven Ansätzen

Unser Ziel ist es deutlich älter und insbesondere gesund und älter zu werden (Stichwort „longevity“). Dieses Ziel werden wir mit den klassischen Präventionsstrategien nicht erreichen. Hier müssen neue, disruptive Ansätze in der Prävention entwickelt werden.

Durch Kombination von neuartigen Biomarkerstrategien mit multimodaler Bildgebung und Techniken basierend auf KI-Algorithmen ist es das Ziel, das individuelle Risiko des Menschen spezifisch zu erfassen und ihm so eine personalisierte Risikofaktormodifikation zu ermöglichen. Zudem sollen mögliche pathologische Veränderungen identifiziert werden, bevor diese klinisch apparent werden. 

KI-Ansätze die wir schon bald nutzen werden

Die Nutzung KI-basierter diagnostischer Ansätze in der Herzmedizin ist keine Zukunftsvision, sondern wird uns schon sehr bald im Alltag begleiten und unsere Diagnostik verbessern. Lassen Sie uns einen Blick auf 3 Beispiele nehmen:

Patienten mit asymptomatisch reduzierter linksventrikulärer Pumpfunktion: Diese Erkrankung betrifft ca. 3-6% der Bevölkerung und geht einher mit einer Reduktion der Lebensqualität und einer erhöhten Morbidität und Mortalität. Wichtig wäre eine frühzeitige Erkennung dieser Patienten, um schon sehr früh mit einer Therapie beginnen zu können. Bisher gibt es jedoch noch kein Screening-Verfahren, welches im großen Maße diese Patienten herausfiltert. Es wurde hier ein EKG-Algorithmus entwickelt, welcher es mit einer sehr hohen Sensitivität und Spezifität erlaubt, mittels eines einfachen 12-Kanal-EKGs Patienten mit asymptomatischer reduzierter Herzfunktion zu erkennen. Sollte zum Messzeitpunkt die Herzfunktion normal sein, so ist der Algorithmus in der Lage zu errechnen, ob der Patient eine Reduktion der Herzleistung in Zukunft erleiden wird.

Patienten mit Vorhofflimmern: Vorhofflimmern ist die häufigste Herzrhythmusstörung und geht einher mit einer erhöhten Morbidität und Mortalität. Ziel ist es, Vorhofflimmern frühzeitig zu diagnostizieren, um möglichst früh mit der Behandlung zu beginnen. Dieses ist oft eine Herausforderung, da Vorhofflimmern nur diagnostiziert werden kann, während es auftritt, es muss also während der Diagnostik durch den behandelnden Arzt auftreten, ein intermittierend auftretendes Vorhofflimmern entgeht sehr oft der Diagnose. Smartwatches bieten hier schon bessere Möglichkeiten, aber hier ist die Diagnostik eingeschränkt. Neuartige EKG-Algorithmen erlauben die Diagnose von Vorhofflimmern mittels eines 1-Kanal-EKGs. Das besondere hier ist: der Patient kann sogar im „normalen“ Sinusrhythmus sein, das EKG entdeckt dennoch ob bei dem Patienten intermittierend Vorhofflimmern vorliegt. 

Patienten mit Amyloidose: Amyloidose ist eine stark unterdiagnostizierte Erkrankung. Durch Ablagerung von Amyloid im Herzen entwickelt sich eine schwere Herzinsuffizienz. Seit kurzem gibt es neue medikamentöse Ansätze, um diese Patienten zu behandeln. Dieses macht es notwendig, dass entsprechende Patienten frühzeitig diagnostiziert werden. Bis jetzt existierte aber kein geeignetes Screeningverfahren. Hier konnten wir ein neuartiges 3D-EKG entwickelnd, welches selbstlernend ist und mit einer hohen Sensitivität und Spezifität Patienten mit Amyloidose identifiziert. Der Ansatz basiert auf einem Cloud-Ansatz. Der Nutzer benötigt lediglich sein Smartphone und ein kommerziell erhältliches EKG-Kabel, welches mit dem Smartphone verbunden wird.

Dieses sind nur drei Beispiele, viele mehr existieren und noch mehr befinden sich gerade in Entwicklung. Diese Techniken werden die Grundlage bilden für eine grundlegend neue Diagnostik und dann auch Therapie, nicht nur in der Herz- Kreislaufmedizin.

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Prof. Dr. Tienush Rassaf
Direktor der Klinik für Kardiologie und Angiologie, Universitätsmedizin Essen