Interview mit Thomas Hähn

Thomas Hähn ist Gründer und CEO von United Robotics Group und Chairman der HAHN Automation Group, mit mehr als drei Jahrzehnten Erfahrung in den Bereichen Automation und Robotik.  

Die United Robotics Group ist ein Zusammenschluss verschiedener Robotik-Unternehmen. Welche Idee steckt dahinter? Mit welcher Zielsetzung ist das Unternehmen entstanden?

Die United Robotics Group, gegründet vor rund drei Jahren unter dem Dach der RAG-Stiftung, vereint neun Unternehmen mit verschiedenen Kompetenzen im Robotik-Bereich, darunter das französische Unternehmen Aldebaran mit seinen humanoiden Robotern Pepper und NAO. Hinter der Gründung stand die Erkenntnis, dass der Einsatz von Service-Robotern zunehmen wird – auch durch eine alternde Gesellschaft, Fachkräftemangel und steigenden Druck auf die Gesundheitssysteme. Die United Robotics Group sieht großes Potenzial in der Service-Robotik. Und blickt dabei über die Grenzen Europas hinaus. Als Erfinder von CobiotX, der neuen und dritten Generation von Robotern, definiert die Gruppe einen neuen Standard für Service-Roboter, die mobil im Einsatz sind und für die Zusammenarbeit „Hand in Hand“ mit dem Menschen entwickelt wurden.  

In welchen Anwendungsbereichen kommen die Service-Roboter der United Robotics Group heute bereits zum Einsatz?

Die Roboter beziehungsweise CobiotX-Lösungen sollen mit und für den Menschen arbeiten und ihm die Konzentration auf Interaktionen ermöglichen, die Kreativität, Fürsorge und Sozialkompetenz erfordern. Und sie können gezielt dem Fachkräftemangel entgegenwirken. Auch die körperliche Entlastung spielt eine Rolle, gerade in der Pflege und Gastronomie. Die United Robotics Group agiert in sechs Bereichen: „Hospitality und Catering“, wo Service-Roboter beispielsweise Speisen und Getränke aus der Küche zum Gast bringen, sowie „Intralogistik“ zur Verbindung von Produktionsinseln in Fabriken. Im Bereich „Inspection & Maintenance“ können Roboter Live-Aufnahmen in einen Kontrollraum übertragen, während sie im Bereich „Education“ beim Erlernen von Fremdsprachen unterstützen. Nicht zuletzt sind Service-Roboter in den Sektoren „Healthcare“ und „Life Science“ im Einsatz – unter anderem in der Arbeit mit traumatisierten Patienten und Patientinnen und zur Automation von Laboren. 

Wie können Service-Roboter konkret im Gesundheitswesen eingesetzt werden? Welche Unterstützung bieten sie?

Wir denken, dass wir mit unserer Robotik bereits intelligente Lösungen schaffen und diese weiter ausbauen, um den Standard im Gesundheitswesen zukünftig aufrecht zu erhalten oder gar zu verbessern. Ein paar konkrete Beispiele sind folgende: 

Gemeinsam mit Siemens Healthineers wurde eine CobiotX-Lösung zur Automatisierung von Laboren, entwickelt. Konkret geht es um die Aufrechterhaltung eines 24/7-Betriebs im Labor, in dem der Roboter prozesskritische Tätigkeiten ausführen kann, die einfach und repetitiv sind und entsprechend automatisiert werden können – zum Beispiel das Öffnen von Reagenzgläsern. Gerade an Wochenenden oder am Abend kann der automatisierte Roboter unterstützende Tätigkeiten durchführen. 

Der humanoide Roboter Pepper, der als erster seiner Art Gesichter und einfache Emotionen erkennt, interagiert per Touchscreen mit seinem Gegenüber und eignet sich sowohl für Unterhaltungs- und Informationszwecke als auch zur Arbeit mit bestimmten Patientengruppen beispielsweise zur Stimulation von Alzheimer-Patienten und Patientinnen. 

Auch Plato, der vor allem im Gastgewerbe das Personal unterstützt, kann im Gesundheitssektor beispielsweise zum Medikamententransport, der Essensausgabe sowie der täglichen Pflege und dem Materialmanagement eingesetzt werden. 

Können Service-Roboter künftig eine Lösung für den Personalmangel in der Pflege und medizinischen Einrichtungen im Allgemeinen sein? Oder werden durch den Einsatz von Robotern sogar Arbeitsplätze verknappt? 

Unsere Service-Roboter sind nicht dafür bestimmt, die Menschen zu ersetzen, sondern ihnen zu helfen, sie zu unterstützen. Gleichzeitig können sie aber auch einen Beitrag zu dem Fachkräftebedarf im Gesundheitswesen leisten. Durch die Übernahme von Routineaufgaben können Service-Roboter sinnvoll unterstützen und Belegschaften signifikant entlasten – auch außerhalb normaler Arbeitszeiten, an Wochenenden oder abends. Sie übernehmen Aufgaben, für die oft das Personal fehlt – und sie setzen Kräfte für wertschöpfendere Aufgaben frei, die nur Menschen wirklich gut erledigen können. Gerade im Bereich Gesundheit ist der aktuelle Standard eigentlich nur durch Automation und Robotik zu halten oder gar zu verbessern.

Was ist wichtig beim Umgang mit Service-Robotern im Gesundheitsbereich?

Der Einsatz von Service-Robotern kann für das Gesundheitswesen von großem Nutzen sein – vorausgesetzt, die Entwicklungs- und Implementierungsprozesse werden partizipativ und verantwortlich gestaltet. Natürlich zählt zuerst die Akzeptanz, die unter anderem durch ein humanoides, freundliches Design der Roboter sichergestellt werden soll. Die Technologie darf nicht zur bloßen Effizienzsteigerung oder gegen den Willen der Betroffenen genutzt werden – und sie sollten in die Entwicklung einbezogen werden.

Darüber hinaus braucht es seitens der Anwender und Anwenderinnen eine gewisse Geduld im Umgang mit den Robotik-Lösungen. Handlungen und Reaktionen auf bestimmte Situationen im Krankenhaus können vom Menschen aufgrund seiner Erfahrungen und seiner Ausbildung leicht erkannt und umgesetzt werden. Roboter müssen alle diese Szenarien erst „erlernen“, beziehungsweise entsprechend programmiert werden. Grundsätzlich sind Sicherheitsstandards und Haftungsregelungen zu beachten und gegebenenfalls anzupassen – und Pflegekräfte sollten gezielt im Umgang mit Roboter-Techniken geschult werden.

Wo liegen Grenzen und Herausforderungen für den Einsatz von Service-Robotern – technische wie ethische?

Von der Software her ist sehr vieles möglich. Doch müssen wir uns als Gesellschaft immer wieder fragen, was wir zulassen wollen und was nicht. Studien zeigen, dass Unbehagen eintritt, wenn der Mensch nicht mehr entscheiden kann, ob eine Handlung von einem anderen Menschen oder einer Maschine ausgeführt wird. Deshalb muss immer klar sein, dass der Mensch die Kontrolle behält. Abseits dessen besteht eine besondere technische Herausforderung darin, den Cobiots die Ausführungen von Bewegungen in einem ungeordneten Umfeld beizubringen. Hierbei spielt KI eine entscheidende Rolle, aber immer durch den Menschen kontrolliert. Auch kommt es auf eine einfache, möglichst intuitive Bedienung sowie auf Sicherheit an – gewährleistet durch Sensoren und Algorithmen.

Welche „humanoide Hülle“ halten Sie bei Service-Robotern für Patienten für angemessen? Welche Eigenschaften müssen sie mitbringen, um akzeptiert zu werden?

Service-Roboter stehen im direkten Kontakt mit dem Menschen und werden aus diesem Grund gerne „vermenschlicht“. Tatsächlich stoßen menschenähnliche Roboter zunächst auf positive Resonanz. Das kann sich aber ändern, wenn die Maschinen zu menschlich aussehen. Entscheidend ist: das Roboter-Design muss freundlich und hilfreich wirken und darf weder zu robotisch noch zu menschenähnlich sein – im Aussehen ebenso wie bei den Bewegungen und der Kommunikation mit den Menschen. Das Roboter-Gesicht kann ein sympathisches so genanntes Hardware-Gesicht oder ein Display sein – die United Robotics Group arbeitet an einer Kombination aus beidem.  Durch die Einbeziehung von Philosophen und Philosophinnen, Pädagogen und Pädagoginnen sowie Experten und Expertinnen aus anderen Fachbereichen verhindern wir, dass sich in der Entwicklungsphase alles nur um die technische Machbarkeit dreht. 

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