Kolumne: Innovation – vom Menschen für den Menschen
Technik ist schön und gut, wenn sie erstens funktioniert und zweitens primär auf die Bedürfnisse des Menschen ausgelegt ist. Nicht wir oder gar unsere Patienten haben sich dabei auf die Technik einzustellen, nein, die Technik muss sich auf uns einstellen, dann funktioniert Innovation. Die großen Fortschritte basierten stets darauf, den Menschen, seine Fähigkeiten und Wunschvorstellungen einzubeziehen.
Zu oft erleben wir es, dass technische Dinge umgesetzt oder angewendet werden, weil sie möglich und machbar sind. Es wird nicht gefragt, ob sie notwendig oder sinnvoll sind oder eine Erleichterung darstellen. Technologien, die sich durchsetzen, sollten das Leben erleichtern, nicht komplexer machen. Kein Mensch, der das Gesundheitswesen braucht, wünscht sich eine hochkomplexe App, er möchte etwas leicht Begreifliches, im Idealfall intuitiv zu Bedienendes. Die Einstiegshürden sollten niedrig, der Mehrwert hoch sein, nicht umgekehrt. Wir müssen den Menschen mitnehmen, nicht die Technik aus deren Selbstzweck heraus promoten. Das überlieferte Credo der Entwickler „Benutzeroberflächen sind wie Witze – wenn sie einer Erklärung bedürfen, sind sie meistens nicht sehr gut.“ beinhaltet mehr Wahrheit als man im initialen Schmunzeln vermuten möchte.
Wir brauchen in Anbetracht der technischen Evolutionen laufende Aufklärung und Information – für Patienten wie für Ärzte. Die Entwicklungen schreiten voran, vieles kommt, vieles verschwindet wieder, das Wissen und das Verständnis hinken oft hinterher. Zur Erfindung der Lokomotive gingen kritische Geister davon aus, dass die Seele nicht so schnell reisen könne wie es der Eisenbahn möglich sei. Glücklicherweise hat sich dieser Mythos überlebt, doch woher kam er? Der Mensch hat generell Angst vor Innovation, vor Wandel, da er nicht weiß, was auf ihn zukommt und inwiefern er sich dafür aus seiner Komfortzone herausbewegen muss. Das trifft für jeden individuell in unterschiedlichem Maße zu, erklärt uns jedoch, wie wichtig es ist a jour zu bleiben. Neben der Neugier brauchen wir den Mut zum „Voranscheitern“, das heißt, Neues auszuprobieren, zu testen und zu experimentieren, Technik auf die Bewährungsprobe zu stellen.
Medizin ist ein Traditionsfach, vieles wird tradiert, es wird übergeben, weitergereicht, von Mensch zu Mensch, von Arzt zu Arzt, vom Arzt zum Patienten. Der alte Satz „Zu Risiken und Nebenwirkungen fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker“, das gilt für die Technik genauso wie für Medikamente und andere Therapien. Man muss nicht immer der technikaffinste sein, der sogenannte Early Adopter, aber offen sollten wir sein. Denn wir wissen, wer nicht mit der Zeit geht, der muss mit der Zeit gehen. Seien wir also offen – für unsere Patienten, für den Fortschritt.
Maschinen sind ein Segen, wo sie Mühe und Plage überflüssig machen, dagegen mit Vorsicht zu genießen, wenn sie versuchen handwerkliches Können und den menschlichen Geist überflüssig zu machen.
PD Dr. Dominik Pförringer,
Klinikum Rechts der Isar I doctos.de ><
PS: Online-Umfrage zur Digitalisierung der Medizin
Medizin findet zunehmend digital unterstützt statt. Welche Themen dabei besonders relevant sind, will die TU München mit einer kurzen Umfrage zum Thema Digital Health herausfinden. Die Befragung ist anonym und dauert 3 Minuten. Der Fragebogen ist bis Ende Juni 2023 online. Wir freuen uns über jeden Teilnehmer. DANKE.
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