Audio und AI basiertes personalisiertes Monitoring des Blutflusses

Digitalisierung (und auch künstliche Intelligenz) im Bereich Gesundheit hat sehr oft nichts mit neuen technologischen Ansätzen zu tun sondern hat als Ziel den traditionellen Ansatz der medizinischen Versorgung besser zu machen. Solche inkrementellen Innovationen sind natürlich notwendig, aber sind in der Regel für die gegenwärtigen Gesundheitsanbieter und deren Geschäftsmodell entwickelt worden. Gesundheit muss aber viel breiter, personalisierter und kontinuierlicher gedacht werden. Wir sind fast alle der Meinung, dass Medizin und die persönliche Gesundheit nicht limitiert sein sollte auf die Diagnose und nachfolgende Therapie im Krankheitsfall, sondern insbesondere das “gesundbleiben” in den Vordergrund gestellt werden sollte. Das wäre dann disruptiv, weil es die gegenwärtige Praxis zumindest zu einem Teil obsolet machen würde, es aber dafür eigentlich gegenwärtig noch kein wirkliches Geschäftsmodell gibt. Die Prozesse, die nach dem Kranksein kommen werden honoriert, aber das nicht Krankwerden, Vorsorge zu betreiben und vielleicht sogar Technik einzusetzen, um schleichende Prozesse frühzeitig zu erkennen werden nicht bezahlt. Künstliche Intelligenz wird im Augenblick vor Allem eingesetzt, um die gegenwärtigen Prozesse in der Diagnose und Therapie zu verbessern und kommen natürlich auch mit einem Erkenntnisgewinn, Zeitersparnis für den Kliniker und ambulanten Versorger und einer besseren Versorgung für den Patienten. Es werden allerdings fast immer existierende Prozesse und Technologien als Basis für dieseVerbesserung genommen. Ein schönes Beispiel - und auch die Basis für die in diesem Beitrag vorgestellte Innovation - ist das Stethoskop. Dieses Diagnosesystem gibt es fast unverändert seit über 200 Jahren und wird bis heute für die Beurteilung der inneren Or- gane vor allem der Lunge und des Herz verwendet. Viele Geräusche überlagern sich im Körper und es erfordert viel Erfahrung die richtigen Schlüsse aus dem “erhörten” zu zie- hen. Natürlich gab es einige Verbesserungen der ursprünglichen Entwicklung, insbesondere um den Transport der Geräusche hin zum menschlichen Ohr zu optimieren. Auch das digitale Stethoskop ist eines dieser Verbesserungen - es bleibt allerdings das vom Mediziner zu analysierende audible Geräuschprofil als Basisinformation für die Diagnose. Die Frage, die man sich bisher nicht stellen konnte oder gestellt hat ist, ob in den nichthörbaren Audio- komponenten oder durch Signalverarbeitung, Filterung, Anwendung frequenzbasierter Theoreme und nachfolgender Klassifizierung, neue Informationen für Diagnose / Vorhersage und Prävention ermöglicht werden. In einer ersten Entwicklung haben wir vor einigen Jahren gezeigt, dass sich mit einer Audio-Aufnahme des Blutflusses der Arteria Carotis / Kopfschlagader und nachfolgen- der KI basierter Analyse ein biometrisches Profil erstellen lässt. So ein Profil kann dann dazu verwendet werden, umpersonalisierte Änderungen darzustellen, die zur Früh- erkennung genutzt werden können oder auch um die Effizienz einer eventuell notwendige Therapie zu verfolgen. Und das ganze vielleicht sogar von zu Hause aus mit einem System, dass für unter € 50 hergestellt werden kann. Was könnte man noch damit machen bzw. was be- deutet das für Früherkennung und Prävention? Regelmässige Audioaufnahmen des eigenen Hustens (Definition meines “normalen” Hustens), der eigenen Aussprache (Definition meiner “normalen” Aussprache), Geräusche der Gelenke (...) und vieles mehr könnten zusammengeführt werden und mit anderen Sensorparametern von Wearables zu einem ganzheitlicheren Gesundheitsstatus führen. Jede Änderung des Normalzustands hat ja eine Ursache. Ein wichtiger Schritt hin zu eigenverantwortlicher und personalisierter Gesundheitsvorsorge! Ohne solche preiswerten, digitalen, verknüpften, intelligenten und vor allem personalisierten Systemen wird es keine Transformation des gegenwärtigen Geschäftsmodells Gesundheit - basierend auf dem kranksein - geben. Wer und wie man diese Entwicklungen bezahlt, wird sich sicherlich in den nächsten Jahren zeigen. Bis dahin muss man viele Daten sammeln und weitere Evaluations-Modelle entwickeln, potentielle Anwendungen gibt es auf jeden Fall genug. Und wenn man etwas will, wie Prävention oder Früherkennung, dann wird es dafür dann auch ein Geschäftsmodell geben. Insoweit ist das dann auch disruptiv!

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Prof. Dr. Michael Friebe