Hilft uns KI aus der Pflege-Krise?

In Pflegeheimen und der ambulanten Pflege herrscht Personalmangel. Künstliche Intelligenz – kurz KI – soll Abhilfe schaffen. Aber kann das wirklich funktionieren?
Die Pflege hat ein Problem: Der Pflegeberuf wird von Jahr zu Jahr unattraktiver. Die Arbeitsbedingungen sind schlecht und immer mehr Beschäftigte schauen sich nach anderen Optionen um. Kein Wunder also, dass in der Pflege jetzt alle Hoffnungen auf Künstlicher Intelligenz liegen. Sie soll den Arbeitsalltag erleichtern und den Pflegekräften mehr Zeit für die Pflegebedürftigen verschaffen. Eine gute Idee. In der Verwaltung kümmert sich KI bereits vorbildlich um Dienst- und Tourenpläne und sorgt dafür, dass Einsatz-Wünsche bestmöglich berücksichtigt werden. Und auch in der Pflege-Praxis sind schon einige intelligente Helfer im Dienst, zum Beispiel um die Dokumentation der Pflege zu beschleunigen, so dass etwas mehr Zeit für die Pflegebedürftigen bleibt. Aber die Probleme der Branche werden auch dadurch nicht gelöst. KI hin oder her – es fehlt nach wie vor Pflegepersonal. Die Lösung des Problems ist klar: Der Pflegeberuf muss wieder attraktiv werden. Mehr Gehalt, bessere Arbeitszeiten, weniger Stress und mehr Personal – aber dieses Problem kann KI derzeit (noch) nicht lösen. Und bis es soweit ist, müssen wir die Versorgungslücke in der Pflege schließen. “Moment mal, WIR?” Richtig, bis eine Lösung gefunden ist, müssen WIR uns selbst um Oma, Opa, Mama und Papa kümmern. Und damit sind wir nicht allein: Pflegende Angehörige kümmern sich aktuell bereits um mehr als 80 Prozent der Pflegebedürftigen in Deutschland – und zwar nach dem guten alten Konzept “Learning by Doing”. Wobei: Sie können natürlich auch KI um Hilfe bitten. Werfen wir doch mal einen Blick in die Praxis und bitten Chat GPT, den Chatbot des US-amerikanischen Softwareunternehmens OpenAI, um Rat: “Kannst du mir sagen, wie ich einer pflegebedürftigen Person auf die Toilette helfe?” Und ob Chat GPT das kann: “Klar, ich kann dir helfen.” Chat GPT, in der Basisversion kostenfrei nutzbar, hat auf fast alle Fragen eine Antwort – auch in Sachen Pflege. Schon nach wenigen Sekunden liefert der Bot eine Schritt-für-Schritt- Anleitung, wie man einem pflegebedürftigen Menschen auf die Toilette helfen kann: “Hilf der Person, sich auf die Toilette zu setzen”, steht dort. Klingt super – aber der Schein trügt, denn der wichtigste Part fehlt, nämlich die Antwort, WIE es genau funktioniert, also welche Handgriffe nötig sind. Klar, man könnte weiter oder anders fragen – aber dafür braucht es Erfahrung in der Nutzung von KI, und die haben längst nicht alle, schon gar nicht in der aktuellen Generation pflegender Angehöriger. Keine Frage: Künstliche Intelligenz ist die Zukunft und in vielen Bereichen längst schneller und bril- lanter als der Mensch. Aber KI kann leider (noch) nicht alles. Es braucht also erstmal eine Zwischenlösung – zumindest für die häusliche Pflege durch Angehörige. Aber wie könnte diese Lösung aussehen? Diese Frage haben sich 2023 auch der Hamburger Mediziner Dr. Johannes Wimmer und der Digital- Experte Clemens Meyer-Holz gestellt. Nach etlichen Fachgesprächen mit Expertinnen und Experten aus der Pflege war klar: “Pflegende Angehörige sind die wichtigste Stütze des Pflegesystems und wir möchten ihnen das Le- ben leichter machen”, so Dr. Johannes Wimmer. Und das machen sie auch seit neun Monaten sehr erfolgreich, mit der Pflegekurs-Plattform Pflege ABC. Auf der Website pflegeabc.de finden pflegende Angehörige von der Pflegekasse finanzierte Video-Pflegekurse, in denen Fachkenntnisse über die häusliche Pflege vermittelt wer- den. Einfühlsam und in einfachen Worten, nah am Menschen. In den hochwertig produzierten Video-Kursen geht es um klassische Pflegethemen, wie Körperpflege und Medikamentengabe, aber auch um Spezial-Themen wie Demenz, Wohnen, Mobilität und Stressmanagement. Das Besondere: Bei der Erstellung der Inhalte verzichtet das Pflege ABC auf Künstliche Intelligenz. “Wir setzen ganz bewusst nicht auf KI”, betont Dr. Johannes Wimmer. “Wir setzen auf das umfassende Fachwissen von Expertinnen und Experten aus der Pflege.“ Und dieses Konzept kommt an. Die Kurse wurden bereits tau- sendfach genutzt und das Feedback der Nutzer könnte nicht besser sein, erklärt Clemens Meyer-Holz. “Wenn es darum geht, den Angehörigen Pflege zu erklären, setzen wir lieber auf den Menschen.” Aber auch das Pflege ABC-Team weiß, wie wertvoll KI ist. “Wir nutzen Künstliche Intelligenz, um unseren Nutzern Mehrsprachigkeit anbieten zu können”, erklärt Meyer-Holz. Zudem arbeitet das Entwicklerteam aktuell an einem intelligenten digitalen Wegweiser, mit dem sich die Nutzer noch besser im Kursangebot und im Pflegealltag zurechtfinden sollen. “KI kann den Menschen nicht ersetzen, aber sie kann eine wertvolle Unterstützung sein, davon sind wir überzeugt.”

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Dr. Johannes Wimmer