KI als Brückenbauer zwischen Arzt & Patient - Angst nehmen, Fragen beantworten, Vertrauen stärken
Wir alle haben es bei Bekannten, Verwandten oder der eigenen Familie schon erlebt. Eine uns nahestehende Person bekommt eine einschneidende Diagnose, ist mental aufgewühlt, auf der Suche nach Beistand oder Informationen & Erfahrungswerten, um die überbrachte Nachricht besser einordnen zu können. Oftmals wird das initiale Patientengespräch – insbesondere bei schwerwiegenden Erkrankungen – als emotional belastend empfunden. Starke Emotionen wie Angst, Schock, Trauer oder Wut werden mitunter beim Patienten ausgelöst. Von behandelnden Ärztinnen und Ärzten wird erwartet, dass sie/er diese Emotionen erkennt, sie respektiert und darauf eingeht. Zur gleichen Zeit muss die Diagnose klar und verständlich kommuniziert werden, ohne Fachjargon oder medizinische Begriffe, die der Patient möglicherweise nicht versteht. Es ist wichtig sicherzustellen, dass der Patient die Diagnose und ihre Auswirkungen vollständig begreift. Dies soll einfühlsam und sensibel erfolgen, um die Würde des Patienten zu wahren und ihm das Gefühl zu geben, gehört und verstanden zu werden. Die Bereitstellung aller notwendigen Informationen über die Erkrankung, Behandlungsmöglichkeiten, Prognosen und Unterstützungsangebote samt der Berücksichtigung individueller Bedürfnisse, kultureller und sprachlicher Barrieren sowie Zeitdruck, lassen die Begleitung und Betreuung zur Herausforderung werden.Vielleicht überraschen auch gerade deswegen die Erkenntnisse einer Studie zur Beantwortung medizinischer Fragen in einem Online-Forum der University of California in San Diego nicht:1. Chatbots liefern qualitativ hochwertige Antworten: Die Antworten eines Chatbots auf medizinische Fragen wurden mit denen von Ärzten verglichen. Die Chatbot-Antworten wurden von unabhängigen Bewertenden als signifikant qualitativ hochwertiger eingestuft als die Antworten der Ärzte. 2. Chatbots zeigen mehr Empathie: Die Chatbot-Antworten wurden auch als deutlich empathischer bewertet als die Antworten der Ärzte. Dies deutet darauf hin, dass Chatbots in der Lage sind, auf die emotionalen Bedürfnisse der Patienten einzugehen.Die Studie aus April 2023 ist auch deswegen bemerkenswert, da es sich bei dem Chatbot um ein nicht medizin-spezifisches Model handelte und die Interaktion lediglich in schriftlicher Dialogform standfand. Seither hat sich die Technologie derartiger Chatbots – große Sprachmodelle wie Gemini, Claude oder GPT– aber auch die verschiedenen Interaktionsmöglichkeiten – natürlichsprachliche und interaktive Konversationen, multimodale Interaktion – dramatisch weiterentwickelt. Hinzu kommen domänenspezifische Ausprägungen einzelner Modelle wie bspw. MedLM, welches speziell für den Einsatz im Gesundheitswesen entwickelt wurde. Die medizinische Expertise umfasst u.A.:
• die Beantwortung medizinischer Fragen von Betroffenen und medizinischem Fachpersonal
• die Zusammenfassung medizinischer Dokumente und Forschungsergebnissen
• eine Extraktion relevanter Informationen aus unstrukturierten Gesundheitsdaten sowie
• die Unterstützung bei der Entscheidungsfindung.
Damit können moderne Sprachmodelle in einem natürlichsprachlichen Echtzeitdialog oder auch traditionell als Chatdialog als Brückenbauer zwischen Arzt und Patient dienen. Und dies auf vielschichtige Art und Weise.
• als „emotionaler Erlös und Verständnishelfer“ des Arztbriefes • als „Zweitmeinung“ zur Vorbereitung/Nachbereitung des nächsten Arzttermins, indem das System relevante Informationen über Symptome, Krankengeschichte und Lebensstil sammelt, um dem Arzt eine umfassendere Anamnese zu ermöglichen
• als digitales Logbuch, das u.A. an Medikamenteneinnahme oder andere wichtige Aspekte einer Behandlung erinnert, das Fortschritte überwacht und Nebenwirkungen einordnet, um frühzeitig mögliche Probleme zu erkennen
• als Coach, der detaillierte Erklärungen und Anweisungen zur Behandlung gibt, um sicherzustellen, dass diese korrekt durchgeführt und mögliche Komplikationen vermieden werden.
• als psychosoziale Unterstützung, welche emotionale Unterstützung und Informationen zu Bewältigungsstrategien anbietet.
Moderne Sprachmodelle haben das Potenzial, die Kommunikation und Zusammenarbeit zwischen Arzt und Patient erheblich zu verbessern und somit die Qualität der Gesundheitsversorgung zu steigern. Insbesondere die Fähigkeit einiger Modelle, ein umfassendes künstliches Gedächtnis der eigenen Erkrankung samt persönlicher Gesundheitsreise aufzubauen, führt zu besseren Entscheidungen und personalisierten Behandlungsplänen sowie Empfehlungen für die eigenen Situation.
Disclaimer: Erste Lösungen sind bereits im Einsatz, dürfen aber aufgrund der rechtlichen Situation lediglich als Empfehlungsgeber agieren, da sie ansonsten als Medizinprodukt zugelassen sein müssten.
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