Warum wir alle die Zukunft voraussehen können - aber erst im Nachhinein

“Hab ich‘s doch gewusst” - der Rückschaufehler Jeder kennt es: Ein Ereignis tritt ein und man ist überzeugt davon, man hätte vorher schon gewusst, dass es genauso kommen wird. Ein Beispiel: Es ist Fußball- Europameisterschaft und deine Lieblingsmannschaft hat es ins Finale geschafft. Vor dem Spiel bist du nervös und unsicher. Nach einem spannenden Match gewinnt dein Team schließlich und du sagst “Ich hatte heute schon so ein Gespür, dass das gut ausgeht”! In der Psychologie nennt mandiesekognitiveVerzerrungauchden“HindsightBias”- oder Rückschaufehler -, der uns glauben lässt, den Ausgang eines Ereignisses schon vorhergesehen zu haben. Und auch wenn das manchmal vielleicht sogar stimmen mag, dass unser Bauchgefühl da schon ein feines Gespür hat, so ist es in den meisten Fällen nicht so, dass wir wirklich ahnen können, wie sich die Dinge entwickeln. Das Phänomen des “Hindsight Bias” wurde erstmals in den 1970er Jahren von Psycholog:innen beschrieben. Dieser Denkfehler lässt uns vermuten, dass die Ereignisse, die eingetreten sind, viel offensichtlicher sind, als sie tatsächlich waren. Doch warum passiert das? Warum neigen wir dazu, unsere hellseherische Fähigkeit trotz rationalen Denkens im Nachhinein zu überschätzen? Um diese Frage zu beantworten, müssen wir einen Blick in unser Gehirn werfen, denn der Rückschaufehler ist das Resultat mehrerer Faktoren, die tief in unserer kognitiven Verarbeitung verwurzelt sind. Einerseits ist unser Gehirn darauf programmiert, Muster zu erkennen und Geschichten zu erzählen. Wenn wir den Ausgang eines Ereignisses kennen, konstruieren wir rückblickend eine logische Erzählung, die uns glauben lässt, dass das Ergebnis unausweichlich war. Zusätzlich dazu haben wir ein starkes Bedürfnis nach kognitiver Kohärenz. Wir möchten die Welt als einen geordneten und vorhersagbaren Ort sehen. Wenn wir also rückblickend auf ein Ereignis schauen, tendieren wir dazu, Informationen zu ignorieren oder abzuwerten, die nicht zu diesem Ergebnis passen. Unser Gedächtnis spielt uns einen Streich, indem es Details verändert oder weglässt, um eine konsistente und verständliche Geschichte zu schaffen. Zusätzlich mischt sich ein weiterer Denkfehler dazu, der dazu führt, dass wir unsere eigenen Fähigkeiten und Kenntnisse gerne mal überschätzen. Wenn etwas geschieht, das wir nicht erwartet haben, empfinden wir oft ein Gefühl der Überraschung und des Unbehagens. Um dieses Unbehagen zu reduzieren, passen wir unsere Erinnerungen und Erwartungen an, um zu glauben, dass wir es doch irgendwie gewusst haben. Starke Leistung, oder?

Mental Health Hack: Wie hilft uns dieses Wissen nun im Alltag weiter und was können wir tun, um Rückschaufehler zu vermeiden? Indem wir uns dieser Verzerrung bewusst werden und gezielt Strategien anwenden, um sie zu umgehen, können wir unsere Entscheidungsfindung verbessern und aus der Vergangenheit realistischer lernen. Und so kannst du den Hindsight Bias überlisten:

1. Lerne dein Bauchgefühl und deine Gedanken besser kennen, indem du diese - besonders vor großen Entscheidungen oder wichtigen Ereignissen - aufschreibst. Rückblickend kannst du vergleichen: Welche Gedanken und Gefühle hattest du vor einem Ereignis? Womit hattest du tatsächlich recht? Was kannst du daraus lernen? Das Bauchgefühl kann ein guter Ratgeber sein, aber Achtung! Manchmal führt es auch zu einer falschen Fährte.
2. Glaube nicht alles blind, was du denkst. Sei dir bewusst, dass unser Gehirn die Wirklichkeit manchmal meisterhaft verdrehen kann, sodass sie den eigenen Erwartungen entspricht.
3. Hole dir externe Perspektiven, indem du mit anderen Menschen über Entscheidungen und deren Ergebnisse sprichst. Eine professionelle Meinung beispielsweise im Rahmen einer psychologischen Beratung bei Instahelp kann helfen, eigene Verzerrungen zu erkennen.

Manchmal haben wir tatsächlich ein faszinierend gutes Bauchgefühl, oft täuscht es uns aber auch. So kann es durchaus sein, dass wir den Ausgang eines Ereignisses schon ahnen, einfach weil wir viel Erfahrung haben. Es kann aber auch sein, dass unser Gehirn im Nachhinein die Tatsachen verschleiert und die Geschichte so anpasst, dass sie zu unseren Erwartungen passt. Dann macht es Sinn, nochmal genau hinzusehen und in der Diskussion vielleicht nicht allzu sehr auf die eigene Wirklichkeit zu pochen.

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Dr. Bernadette Frech
CEO bei Instahelp, der Plattform für psychologische Beratung online