Marke heißt machen

Rund 3 Billionen Dollar, das ist eine Zahl mit 12 Nullen, beträgt die Marktkapitalisierung von Apple, wenn man die Anzahl der Aktien mit dem jeweiligen Wert multipliziert. Just beim Schreiben dieser Zahlen ist Apple aber damit nicht mehr das wertvollste Unternehmen der Welt, sondern wurde Mitte Januar von Microsoft überholt. Zum Vergleich der Dimensionen: Der öffentliche Gesamthaushalt von Bund, Ländern und Gemeinden in Deutschland, der immerhin viertgrößten Industrienation der Welt, lag 2022 bei Einnahmen in Höhe von 1,34 Billionen Euro. Starke Global Brands sind nicht nur wirtschaftlich, sondern auch in der Wahrnehmung eine Macht, ebenso ihre deutschen Pendants mit Daimler, BMW und SAP auf den Plätzen eins bis drei. Es gibt viele Abhandlungen darüber, was Marken ausmacht. Aber ich möchte nicht über Kommunikationstheorie sprechen. Ich möchte über meine Erfahrungen als Personal Brand sprechen.

Blick zurück: 2015 wurde ich Vorstandsvorsitzender und Ärztlicher Direktor der Universitätsmedizin Essen (UME), dem bedeutendsten Gesundheitsdienstleister im Ruhrgebiet. Ich hatte die Annahme des Angebots seinerzeit vor allem an eine zentrale Bedingung geknüpft, basierend auf meinen langjährigen, immer frustrierender werdenden Erfahrungen als Arzt und später als Manager: Ich wollte den Menschen explizit in das Zentrum meiner Arbeit stellen. Und ich wollte dazu als unverzichtbares Instrument die Digitalisierung einsetzen. Die Idee und der Begriff des „Smart Hospital“ war geboren, und er wurde zusehends nicht nur mit der UME, auch mit meiner Person verknüpft.

Ist die UME, ist auch Jochen Werner, damit gewissermaßen zu einer Marke wider Willen geworden? Das wäre sicherlich übertrieben. Ich stehe gerne für Dinge, ich beziehe Stellung, ich habe eine Vision. Es war aber nie so, dass ich das vordringliche Ziel verfolgt habe, eine Marke zu werden. Mein Ziel war es, das Smart Hospital (und darauf aufbauend das Green Hospital und nun das Human Hospital) umzusetzen. Die Wahrnehmung als Marke war letztlich nur die Konsequenz meiner Arbeit und der Umsetzungserfolge. Ich habe diesen Status nie abgelehnt, sondern immer gefördert. Weil ich erkannt habe, dass es meinem originären Anliegen, nämlich einer menschlichen, datengetriebenen Medizin zuträglich ist, wenn man dieses Credo mit einem gewissen Bekanntheitsgrad verfolgt. Die Durchschlagskraft, die Aufmerksamkeit und damit auch das Gestaltungspotenzial sind einfach höher.

War das früher anders? Ich denke nein. Gottfried Daimler wollte keine Marke werden, sondern Autos bauen. Bill Gates wollte aus der Garage heraus seine Software an IBM verkaufen. Und Steve Jobs wollte hippe Produkte entwickeln und vor allem seiner Zeit voraus sein. Alle haben sich gegen die Entwicklung und Wahrnehmung als Marke nicht gewehrt. Aber zuerst stand das Produkt, die Leistung, die Zufriedenheit der Kunden. Alles weitere kam später.

Natürlich will ich nicht so vermessen sein, mich mit diesen Legenden zu vergleichen. Aber die Mechanik ist ähnlich, geht es in erster Linie nicht um (Eigen-)PR, sondern um Substanz, um Glaubwürdigkeit und Authentizität. Es geht um die Deckungsgleichheit von Agieren und Kommunikation. Und insofern steht die Marke Jochen Werner auch nicht isoliert, sondern im engen Verbund mit der Marke Universitätsmedizin Essen – einer Einrichtung, die erst vor rund 60 Jahren gegründet wurde, die sich genau genommen von einer vormals städtischen Krankenanstalt zur Universitätsklinik „hochgearbeitet“ hat. Wir haben keine jahrhundertalte Tradition. Von uns spricht man nicht mit Ehrfurcht. Wir haben keinen Nobelpreisträger hervorgebracht, wenngleich der Augenarzt Prof. Meyer-Schwickenrath dreimal für diesen Preis nominiert war. Das alles scheint auf den ersten Blick eher als Nachteil. Genau betrachtet kann es aber auch ein großer Vorteil sein, denn Tradition birgt immer die Gefahr des sich-Ausruhens, des rückwärtsgewandten Denkens und Handelns. Unser - und mein - Markenkern ist folglich nicht die Tradition. Unser gemeinsamer Markenkern ist Innovation, Modernität, Digitalisierung. Dafür stehen wir, und das leben wir jeden Tag.

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Prof. Dr. Jochen A. Werner