Diversität kann echt wehtun
Wer sollte dieses Buch unbedingt lesen? Meine Antwort wirkt wahrscheinlich ein bisschen paradox, aber aus meiner Sicht sollten vor allem jene Menschen dieses Buch lesen, die denken, dass sie es nicht brauchen. Ich halte immer wieder Vorträge zu diesem Thema und oft kommen Menschen zu mir, die sagen, dass es ja schön und gut sei, dass ich über Vorurteile und beispielsweise Rassismus spreche, aber aus ihrer Sicht sei dies gar nicht notwendig, weil ihr Nachbar - ein Türke – ja auch nicht diskriminiert wird. Oft stammen derartige Aussagen von Menschen, die selbst noch nie Diskriminierung erfahren haben, weil sie in einem Aspekt von der gängigen Norm der Gesellschaft abweichen und somit keine Erfahrung haben, wie es ist, aufgrund eines Merkmals diskriminiert zu werden, das man sich selbst gar nicht aussuchen kann. Personen, die dieses Thema pauschal kleinreden oder sogar komplett weg reden, tragen nicht zur Lösung bei. Deshalb sollte der Impuls, dass man eine Auseinandersetzung mit der Thematik meines Buchs als unnötig empfindet, als sehr starker Kaufimpuls gesehen werden.
Das Buch behandelt ebenso den sogenannten Unconscious Bias – also unserer unbewussten Voreingenommenheit – und beleuchtet ihn im Kontext der Arbeitswelt. Erforscht wurden bisher über 180 Arten von kognitiven Verzerrungen. Unser Bias begleitet uns alltäglich. Wenn man Menschen etwa dazu auffordert, sich eine Führungskraft vorzustellen, haben die meisten einen Mann im fortgeschrittenen Alter und nicht eine junge Frau, geschweige denn eine weibliche Person mit Migrationshintergrund vor Augen. Unbewusste Vorurteile bedeuten auch, dass äußere Merkmale bei Menschen Ängste, Skepsis oder Antipathie in uns hervorrufen können, noch bevor wir sie kennengelernt haben. Im Buch gehe ich auf verschiedene Arten von Unbewusstheitseffekten ein, die ich als besonders wichtig oder relevant erachte. Ein Bias, den ich als besonders wichtig empfinde, ist der sogenannte Affinity Bias, den insbesondere Menschen, die Personalentscheidungen treffen kennen sollten. Dieser Bias beschreibt das Phänomen, dass sich „gleich und gleich“ gerne zusammenschließen. Menschen haben die Tendenz, sich mit ähnlich gesinnten Personen zu umgeben, mit denen sie sich identifizieren können. Im Arbeitsumfeld bedeutet dies, dass wir häufig Menschen bevorzugen, die uns in bestimmten Aspekten ähnlich sind. Je höher man in der Organisationsebene schaut, desto ähnlicher sind sich oft die Entscheidungsträger, die bestimmen können, wer nachfolgt.
Aus meiner Sicht ist es durchaus auch einfacher, Teams aus Menschen zu leiten, die einem ähnlich sind. Deshalb kann Vielfalt wirklich wehtun. Jedoch ist Diversität auch notwendig, um bestehende Schwächen in Prozessen zu identifizieren und neue Potenziale aufzutun. Daher benötigen wir die Reibung, die mit Diversität verknüpft ist, um uns weiterzuentwickeln.
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