Digitalisierung kann Leben retten

Spricht man zu Ärzten und Ärztinnen über Digitalisierung blickt man meist in genervte Gesichter. Weil der aktuelle Stand der Digitalisierung im Gesundheitssystem Nerven kostet, und wenig Ausblick auf wirkliche Verbesserung besteht. 

Warum es umso wichtiger ist die Herausforderung anzugehen an einem (von vielen konkreten) Beispielen mit digitalen Lösungen: 

Eine 60-jährige Patientin kommt mit Rückenschmerzen am Sonntag morgen in die Notaufnahme. Sie war bereits am Vortag beim KV-Arzt in der kassenärztlichen Notdienstpraxis, weswegen sie nach dem Triage Prinzip nun für die Notaufnahme vorgesehen ist. 

Denn eigentlich sieht das Gesundheitssystem in Deutschland nicht vor Patienten und Patientinnen mit Symptomatiken wie Rückenschmerzen oder länger anhaltenden Beschwerden in der Notaufnahme zu behandeln. Denn es kann dazu führen, dass Notaufnahmen überlastet sind und „wirkliche Notfälle“ verzögert therapiert werden. Gleichzeitig stehen in der Notaufnahme solchen Patientinnen nur begrenzte Möglichkeiten zu: Rezepte, Überweisungen, Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen sind nicht möglich. Das ist meist unerfreulich für Ärzte und Patientinnen. 

Mögliche Digitale Lösung

Patientenedukation: durch ein staatliches oder kassenbasiertes Aufklärungstool, um Patienten im Vorfeld zu triagieren und ihnen den für sie passenden Anlaufpunkt zu nennen.  Die Patientin berichtet, dass die Ibuprofen, die sie vom KV-Arzt erhalten habe keine Linderung bringen. Vorerkrankungen, Voroperationen und Medikation werden verneint. 

Auf die Frage ob sie Blutverdünner nehme, antwortet sie mit, „ja dieses Marcoumar“. Meine Augen werden groß und ich frage „warum?“. Man habe ihr ja vor einigen Monaten die Hauptschlagader ausgetauscht Sofort sind die Rückenschmerzen der Patientin mit diesem Wissen bis zum Ausschluss eine lebensbedrohliche Situation.

Ein Großteil der Patienten kennt weder seine Vorerkrankungen, Medikation noch die genaue Allergie. 

Mögliche Digitale Lösung: Eine auf die Nutzenden ausgelegte digitale Patientenakte, die wichtige Informationen übersichtlich darstellt, beispielsweise Vorinterventionen. Dies hätte schon den KV- Arzt zu einer prompten Vorstellung in der Notaufnahme und Diagnostik veranlasst. 

Im CT sieht man die einliegende Gefäßprothese mit einem umspülten Blutsaum, um zu entscheiden, ob dies neu aufgetreten oder bereits nach Implantation weiterhin zu sehen war, wird ein Vergleich mit dem Vor-CT benötigt. Die vorbehandelnde Klinik ist nicht an das Radiologische Austauschprogramm angeschlossen, somit muss eine CD mit den Bildern mittels Taxi dorthin übermittelt werden. 

Ergebnis: Es handelt sich um eine Undichtigkeit der Prothese, die Patientin wird kreislaufstabil notfallmäßig verlegt in die vorbehandelnde Gefäßchirurgie verlegt.

Mögliche Digitale Lösung

• Eine individuelle Empfehlung, die der Patientin von Anfang an empfiehlt sich initial schon in der behandelnden Klinik vorzustellen.

• Eine digitale Patientenakte, die es ermöglicht Vorbefunde und Vorbilder einzusehen. 

Am nächsten Tag ruft die Tochter der Patientin an. Sie ist ärztliche Kollegin und berichtet, dass ihre Mutter letzte Nacht im Krankenhaus verstorben sei. Sie fragt, ob der KV-Arzt nicht hätte, anders reagieren müssen. 

Der KV-Arzt hat adäquat nach der Leitlinie Rückenschmerzen therapiert. Basierend auf den Informationen die ihm nach der kurzen Zeit, die er pro Patientin zur Verfügung hat. Versagt hat das System, dass ihn eigentlich unterstützen soll und rein technisch längst auf dem Stand dazu wäre. 

Der Fachkräftemangel nimmt zu, die Erwartungen von Patientinnen werden (zu Recht) größer und die Zeit für Patientenbehandlung wird knapper – auf Grund einer Fehlverteilung. 

Wenn unser Gesundheitssystem endlich eine sinnvolle und nutzendenoriente Digitalisierung bereitstellt, haben Ärztinnen wieder Zeit Patienten zu behandeln. Und das nicht nur nach ihrem besten Vermögen sondern auch der aktuellen Zeit angepasst mit bestmöglichster Sicherheit, Komfort und Individualität. 

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Dr. Johanna Ludwig
Fachärztin Unfallchirurgie, MSc. Surgical Science and Practice, Gründerin