Nach Lösungen suchen

Ein Interview mit Dr. Gerd Wirtz, Digital Health Expert sowie ausgewiesener Keynote Speaker und Medizinmoderator.

Deine größte Sorge bezüglich der Digitalisierung im Gesundheitswesen ist …

Gerd: …dass es viel zu langsam vorangeht. Es wird immer über Kosten und Datenschutz diskutiert. Lasst uns lieber darüber reden, wie viele Menschenleben die Verschleppung kostet. Jedes Jahr sterben in Deutschland 50.000 Menschen an unerkannten Neben- und Wechselwirkungen von Medikamenten. Mit der ePa könnte man viele dieser Sterbefälle vermeiden. Das ist nur eines von vielen Beispielen.  Außerdem ist unser derzeitiges Gesundheitssystem teuer und ineffizient. Leider fehlt der absolute Innovationsdruck. Irgendwie läuft es ja noch. 

Der Turbo für die digitale Medizin wäre…

Gerd: In unseren Köpfen hat sich festgesetzt, dass Digitalisierung nur ein technologischer Prozess ist. Aus meiner Sicht eine dramatische Fehleinschätzung. Wir stehen gerade vor der größten gesellschaftlichen Transformation, die die Menschheit je erlebt hat. Es reicht deshalb nicht Funktionsweisen zu erklären. Da halte ich es mit Antoine de Saint-Exupéry: „Wenn du ein Schiff bauen willst, beginne nicht damit, Holz zusammenzusuchen, Bretter zu schneiden und die Arbeit zu verteilen, sondern erwecke in den Herzen der Menschen die Sehnsucht nach dem großen und schönen Meer.“

Wie wecken wir diese Sehnsucht nach Digitaler Medizin?

Gerd: Wir reden seit langer Zeit über Gesundheitskompetenz. Es gibt staatliche Programme dazu. Sie kommen nur nicht bei der Bevölkerung an. Es gibt in Deutschland eine technokratische und angsterzeugende Kommunikation über Digitalisierung. Dabei brauchen wir Information über Nutzen und Visionen. Digitale Medizin lässt uns länger und vor allem gesünder leben. Das ist der Nutzen in einem Satz. Gar nicht so schwer, oder?

Reicht dieser Satz und alles wird besser?

Gerd: Natürlich nicht. Das ist für mich die Überschrift. Das muss mit Beispielen und verständlichen Informationen unterfüttert werden. In der Pflege muss derzeit eine Pflegekraft 30-50 Menschen betreuen. Wenn da nachts ein Patient stürzt, kann es Stunden dauern, bis Hilfe kommt. Vor kurzem habe ich ein Startup in Berlin besucht. Die haben einen Roboter entwickelt, der nachts über die Flure fährt und durch die Wände die Position von Menschen erkennt. Wenn etwas nicht in Ordnung ist, holt er Hilfe.  Solche bahnbrechenden Projekte verdienen Aufmerksamkeit in den Medien. Ihr macht mit dem 10x Magazin schon einen Riesenschritt. Warum gibt es noch kein TV-Format zum Thema „Zukunftsmedizin“. Ich würde als Moderator bereitstehen, und ihr wärt sicher einer meine ersten Gäste.

Schöne Idee. Wie trägst Du zur Steigerung der digitalen Gesundheitskompetenz bei, bis es soweit ist?

Gerd: Na, ich werde auf der Bühne stehen und mit meinem Charme und Witz die Menschen in den Bann ziehen! Aber Spaß beiseite, in meinen Keynotes, Moderationen und Seminaren kläre ich die Menschen auf, berichte über neue Entwicklungen und zeige an Beispielen, wie uns Digitalisierung hilft, die Medizin fundamental zu ändern. Das Gesundheitswesen wird vom Reparaturbetrieb zum Vorsorgebetrieb. Meine Mission ist, Angst vor dem bevorstehenden Wandel zu nehmen und meinen Zuhörenden das Handwerkszeug zu geben, die neuen Möglichkeiten konstruktiv und kritisch beurteilen zu können. Und wichtig ist mir, wenn ich dabei auch mal den ein oder anderen Schmunzlerernte, denn Humor ist eine großartige Möglichkeit, komplexe Themen leichter verständlich zu machen.

Welche Veränderungen erhoffst Du durch eine erhöhte digitale Gesundheitskompetenz der Bevölkerung?

Gerd: Oh, da habe ich große Hoffnungen! Der positive Druck auf Leistungserbringer und die Gesundheitspolitik nimmt zu. Wir werden aufhören, über Verhinderungsgründe zu jammern, sondern nach Lösungen suchen.

Deine Vision ist…

Gerd: Im Jahr 2021 wurde in Indien Rehtee Begum mit 124 Jahren gegen COVID geimpft. Es wäre doch großartig, wenn wir alle die Chance hätten,  im Alter von 124 Jahren gegen irgendeine Infektionskrankheit geimpft zu werden. Am besten unmittelbar nach einem Tennismatch.

Danke für das informative Gespräch, Gerd.