Der Gamechanger Digitalisierung und die medizinische Versorgung im 21. Jahrhundert

Das deutsche Gesundheitssystem wird als eines der besten Gesundheitssysteme der Welt beschrieben und die Pandemie hat gezeigt, dass Versorgung auf höchstem Niveau auch in Krisenzeiten funktioniert. Postpandemisch ergeben die Analysen jedoch, dass das deutsche Gesundheitssystem dringend reformiert werden muss, um auch weiterhin beste medizinische Versorgung bedarfsgerecht anbieten zu können.

In Zeiten von Fachkräftemangel, steigender Lebenserwartung bei gleichzeitig höherer Morbidität und einem veränderten Bewusstsein der Balance zwischen Beruf und Freizeit insbesondere der Generation Z scheint die medizinische Versorgung in Deutschland allerdings gefährdeter denn je. 

In vielen Branchen haben digitale Technologien die Arbeitswelt verändert: Prozesse werden digital unterstützt, sodass personelle Ressourcen effektiv eingesetzt werden können; Eingabe und Verarbeitung von persönlichen Daten verbessern den Nutzen des jeweiligen Branchenproduktes. Im Gesundheitswesen allerdings scheinen Bedenken gegenüber den digitalen Möglichkeiten vorzuherrschen. Datenschutz wird vielfach als Argument angeführt, um sich nicht mit den zweifellos disruptiven Veränderungen durch den Einsatz von digitalen Tools beschäftigen zu müssen. 

Aus meiner Sicht jedoch sind digitale Technologien der Gamechanger für eine zukunftsorientierte und hochwertige medizinische Versorgung. Schon heute bestehen vielfache Möglichkeiten, einerseits administrative Prozesse digital abzubilden und andererseits die medizinische Versorgung zu unterstützen und somit zu verbessern. Digitale Patientenportale ermöglichen den standardisierten Eintritt des Patienten in das Gesundheitssystem; digitale Dokumentationssoftware bedeutet eine sichere und nachvollziehbare Dokumentation aller medizinischen Leistungen und die Speicherung der Krankheitshistorie in der elektronischen Patientenakte erreicht eine umfassende Information aller Behandelnden und vermeidet Doppelbehandlungen. Dies sind nur einige Beispiele der digitalen Tools, die uns schon heute zur Verfügung stehen und bei konsequentem Einsatz letztlich die Patientensicherheit erhöhen.

Auch bei der Behandlung von Erkrankungen können digitale Therapien eingesetzt werden und die Betreuung durch medizinische Fachkräfte unterstützen.  Es ist wissenschaftlich nachgewiesen, dass digitale Therapieangebote wie virtuelle Gespräche mit einem Therapeuten oder digitale Gesundheitsapps (DIGAs), die zeit- und ortsunabhängig durch den Patienten individuell angewendet werden können, einen Nutzen haben und besonders bei der Einbindung in ein ganzheitliches Therapiekonzept die medizinische Versorgung verbessern.

Den Chancen der Digitalisierung gegenüber stehen allerdings neben der noch unzureichenden Finanzierung die teilweise irrationalen, aber nachvollziehbaren Vorbehalte der Menschen. 

Und genau hier müssen wir jetzt ansetzen.

Die nationale eHealth-Strategie muss konsequent und unter Beteiligung aller Akteure weiterentwickelt und umgesetzt werden. Es gilt, eine digitale Gesundheitskompetenz zu schaffen, sowohl bei den Patienten als auch bei den medizinischen Leistungserbringern. Es bedarf gezielter Informationskampagnen, die den Nutzen und die Chancen der digitalen Therapien erläutern. Mit Unterstützung durch digitale administrative Abläufe kann medizinisches Fachpersonal um die Tätigkeiten entlastet werden, die keinen persönlichen und fachlich hochprofessionellen Patientenkontakt erfordern.

Nur mit dem umfassenden Einsatz von digitalen Technologien haben wir die Chance, medizinische Versorgung auch zukünftig in dem benötigten Ausmaß und der bestmöglichen Qualität anbieten zu können.

Die medizinische Versorgung im 21. Jahrhundert ist digital und persönlich.

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Dr. Alina Dahmen
Medizinische Direktorin Klinikum Wolfsburg