Healthcare Startup DNA: Muss ich als Gründer:in geboren sein?
Wer nach Gründer:innen-Mindset googelt, der findet zahlreiche Anforderungen an die eigenen Fähigkeiten: Leidenschaft, Begeisterungsfähigkeit und Beharrlichkeit braucht es, gepaart mit Risikobereitschaft, Kreativität, Empathie und Anpassungsfähigkeit. Wer dann noch im Gesundheitsbereich gründen will, braucht all diese Stärken gefühlt in doppelter Ausführung. Muss ich also zum Healthcare Founder geboren sein? Die Wissenschaft sagt: Nein! Vor bereits mehr als 15 Jahren begann die Kognitionswissenschaftlerin Saras Sarasvathy an der University of Virginia erfahrene Unternehmer:innen zu erforschen, um mehr über die Ursprünge ihres Erfolgs zu erfahren. Ihre Erkenntnis: Die Entrepreneure nutzten in Situationen der Ungewissheit bevorzugt eine Logik des erkundenden Handelns, von ihr „Effectuation“ genannt. Diese Entscheidungslogik verzichtet auf Vorhersagen der Zukunft und setzt stattdessen auf deren aktive Gestaltung. Gerade für Gründer:innen im Gesundheits-bereich können die vier Effectuation-Prinzipien spannend sein, um besser mit Unsicherheiten umgehen zu können:
1. Prinzip: Mittelorientierung
Statt von einem bestimmten wünschenswerten Zustand in der Zukunft auszugehen konzentriere ich mich auf die mir vorhandenen Ressourcen: Wer bin ich? Was kann ich? und Wen kenne ich? sind dabei hilfreiche Fragestellungen. Davon ausgehend kann ich über die Ziele entscheiden, die ich mit meinen Ressourcen und Wertvorstellungen erreichen möchte. Macht es zum Beispiel mit meinem Hintergrund als Ernährungsmedizinerin Sinn, die Medizinprodukt-Zertifizierung im Alleingang anzustreben? Oder gehe ich erst den Weg als Lifestyle-Produkt, weil ich gute Kontakte zu Online Marketing-Experten habe?
2. Prinzip: Leistbarer Verlust
Eine wichtige, aber extrem schwierig zu bestimmende Kennzahl bei der Unternehmensgründung ist der zu erwartende Ertrag. Dies gilt ganz besonders für Healthcare Startups, die häufig erst nach 7-10 Jahren sowie unterschiedlichen Studien oder Zertifizierungen mit Umsatz rechnen können. Im Effectuation-Ansatz gehen wir von einem anderen Standpunkt aus und stellen uns die Frage: Was kann und will ich mir leisten? Und wo ziehe ich die Grenze - begrenze also aktiv meinen Mitteleinsatz? So kann ich mich an reellen Zahlen orientieren und unergründliche Risiken für mich beschränken.
3. Prinzip: Umstände und Zufälle nutzen
Erfahrene Entrepreneure greifen zufällige Ereignisse eher als Chance für neue oder geänderte Businessideen auf und nutzen Unvorhergesehenes als Quelle der Inspiration, anstatt sich nur darüber zu ärgern oder sich dagegen abzugrenzen. Der Konkurrent wurde gerade in den DiGa-Katalog aufgenommen? Vielleicht liegt dann eine Chance für mich darin, mich nicht nur auf eine bestimmte Indikation zu beschränken oder einen primärpräventiven Ansatz zu fahren?
4. Prinzip: Vereinbarungen und Partnerschaften
Statt lange zu versuchen, die "richtigen" Stakeholder an Bord zu holen, gehen erfolgreiche Entrepreneure mit ihren anfänglichen Ideen auf möglichst viele Menschen zu, um sie von ihnen challengen zu lassen. Weil jeder Partner neue Ressourcen einbringt macht es Sinn, möglichst früh Vereinbarungen einzugehen. Gerade im Gesundheitsbereich ist die Abhängigkeit von Partner:innen wie Leistungserbringern und Kostenträgern sehr groß. Umso wichtiger ist es, frühzeitig auszuloten, wer von den etablierten Organisationen bereit ist, mitzumachen. Dabei können Healthcare Founder Inkubatoren, Acceleratoren und andere spezialisierte Programme nutzen, um leichter Türen in den Gesundheitsmarkt zu öffnen.
Klingt doch eigentlich einfach: Die vorhandenen Mittel betrachten, den leistbaren Verlust im Auge behalten, Vereinbarungen eingehen und den Zufall als Partner gewinnen. Dabei sollen mit Effectuation jedoch nicht die Werkzeuge der klassischen Businessplanung ersetzt werden. Es geht vielmehr darum, diese überall dort sinnvoll zu ergänzen, wo man nicht umfangreich planen oder sich ausschließlich auf die eigene Startup DNA verlassen kann.
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