Personalmangel und Krankenstand im Gesundheitswesen

Die Fehlzeiten in der Gesundheitsbranche liegen zum Teil 50% höher als in der Gesamtbevölkerung, dies entspricht einer 7% höheren Abwesenheitsquote. Gründe dafür sind unter anderem die hohen körperlichen und psychischen Belastungen, insbesondere in der Pflege. Es konnte nun auch nachgewiesen werden, dass Personalmangel bei Überstunden/Mehrarbeit, etc. zu einem erhöhten Krankenstand führt, was wiederum den Personalmangel verstärkt - ein Teufelskreis. Derzeit wird besonders darüber debattiert, dass eine Tätigkeit einen "Purpose" haben müsse, damit Mitarbeiter zufrieden sind und niedrige Fehltage haben. Mehr "Purpose" als Menschen gesund zu machen oder zu erhalten ist kaum möglich.

Wichtigster Faktor für zufriedene Mitarbeiter ist jedoch die Unternehmenskultur. Sie wird geprägt von den Führungskräften. „Culture eatsstrategy for breakfast“, sagt dazu Peter Drucker. Oftmals sind z.B. Krankenhäuser noch sehr hierarchisch, wenig digital sowie unflexibel und mobile Arbeit ist eher die Ausnahme. Eine meiner Studentinnen bezeichnete ein Jobangebot aus einem öffentlichen Krankenhaus als "völlig unsexy".

Die Gesundheitserhaltung von Mitarbeitern ist eine Aufgabe sowohl der Unternehmen als auch der Mitarbeiter selbst – wir nennen das Verhältnis- und Verhaltensprävention. Die Verhältnisse, wie beispielsweise die Gestaltung der Arbeitszeit, die Führungskultur sowie die Möglichkeiten zur Weiterbildung und zum Aufstieg, kommen jedoch oft zu kurz.

Jedoch sind Unternehmen immer mehr in der Pflicht, da attraktive Gesundheitsangebote wie Fitnessstudios, Gesundheits-Apps oder Check-ups auf die Arbeitgeberattraktivität einzahlen und die Firma im "war for talents" stärken. Die aktuell am meisten nachgefragten Benefits im Gesundheitswesen sind das Dienstrad, die betriebliche Krankenversicherung (bKV) sowie das 49€-Ticket.

D.h. ein gutes betriebliches Gesundheitsmanagement kann nicht nur für eine gesündere und leistungsfähigere Belegschaft sorgen, sondern sich auch positiv auf die Gewinnung und Bindung von Mitarbeitern auswirken. Die Bindung hat nämlich aufgrund der Belastungen der Pandemie und des mobilen Arbeitens außerhalb der Betriebsstätte dramatisch abgenommen. Bevor dem Gesundheitswesen das Geld ausgeht, geht ihm das Personal aus. Es gibt noch ein riesiges Potenzial an qualifizierten Kräften aus der Branche, die in anderen Jobs sind oder aufgrund der schlechten Vereinbarkeit von Familie und Beruf sogar zuhause bleiben. 

Wichtig ist, das betriebliche Gesundheitsmanagement als Unternehmensziel strategisch in der Nachhaltigkeitsstrategie zu verankern. Denn neben der ökologischen Säule der Nachhaltigkeit, die im Fokus der Öffentlichkeit steht, wird die soziale Säule immer wichtiger. Die Qualifikation unserer Belegschaft ist volkswirtschaftlich Deutschlands wichtigste Ressource. Durch die extrem niedrige Geburtenrate kommt es zum demografischen Wandel, welche das Gesundheitswesen doppelt trifft: Zum einen gibt es immer mehr multimorbide ältere und pflegebedürftige Menschen, zum anderen immer weniger junge Menschen, die diese pflegen könnten.

Am wichtigsten ist jedoch, dass die Pflege und das Gesundheitswesen grundsätzlich mehr Priorität und Anerkennung erhalten. Jeder einzelne Mitarbeiter sollte dies in seiner Einrichtung erfahren. Es bedarf einer Feedback-Kultur, einer besseren Kommunikation sowie Anerkennung von Leistungen und Partizipation. Mitarbeiter sollten an Entscheidungen teilhaben und es sollte Transparenz herrschen.

Denn ohne Wertschätzung keine Wertschöpfung. 

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Prof. Dr. Volker Nürnberg
Partner, BearingPoint