Pflege und Digitalisierung

Ergebnisse zur Digitalisierung und Pflege in Suchmaschine zeigen oft Bilder von Robotern, die mit älteren Patient*innen Karten spielen, Gruppenaktivitäten leiten oder pflegerisch-körpernahe Maßnahmen übernehmen. Doch stellt dies ein reales Bild von Digitalisierung und Pflege dar?

Im Gegensatz zu anderen Staaten gilt diese Darstellung für Deutschland sicherlich (noch) nicht. Mit Ausnahme von Servicetätigkeiten stellt Robotik in der direkten pflegerischen Versorgung bisher ein Forschungs- statt Praxisfeld dar. Der Unterschied im internationalen Kontext wird mit Blick auf Japan besonders deutlich. 2017 wurden hier die ersten Studien veröffentlich, die sich auf sturzbedingte Verletzungen beziehen, welche durch Roboter in der Pflege herbeigeführt wurden. Eine Evaluation, die für Deutschland aufgrund des fehlenden Praxiseinsatzes noch fern liegt. Diese Diskrepanz ist mitunter auch auf gesellschaftliche und kulturelle Ansichten zurückzuführen. 

Doch worauf konzentriert sich Digitalisierung in Deutschland in der Pflege?

Insgesamt ist zu beachten, dass Pflege nicht gleich Pflege ist. Je nach Setting, sei es ambulant oder stationär, Langzeit oder akut-klinische Versorgung, variiert der Beruf der Pflegefachperson und die damit verbundenen Fragestellungen und Anforderungen an die Digitalisierung erheblich. Beispielsweise stehen in der Langzeitversorgung retrospektive Daten häufig über Jahre zur Verfügung, während im akut-klinischen Setting bei der Patientenaufnahme (derzeit) noch wenige Daten vorliegen. Andererseits sind im klinischen Setting Daten meist umfangreicher und detaillierter verfügbar. Ein KI-gestütztes Prädiktionsmodell für pflegerelevante Risikofaktoren wie Sturz oder Dekubitus könnte somit derzeit nicht pauschal auf „die Pflege“ übertragen werden. Erschwerend kommt hinzu, dass Dokumentationsstandards in den genannten Handlungsfeldern erheblich variieren. Um eine bestmögliche Kommunikation zwischen den Akteuren zu gewährleisten, ist das Thema Interoperabilität für die Pflege somit ebenso relevant wie für die Medizin und erhält aktuell große Aufmerksamkeit. Eine vom Interop Council initiierte Arbeitsgruppe widmet sich beispielsweise derzeit rein der Thematik „Pflege Journey“ mit dem Ziel, Anforderungen an Standardisierungsvorhaben zu formulieren. Im Sinne der Interoperabilität und der bestmöglichen Patientenversorgung sind diese mit den Schnittstellendisziplinen zu konsentieren, da Pflegefachpersonen meistens Bestandteil eines interprofessionellen Teams sind und oft als Bindeglied zwischen den Akteuren im Behandlungsprozess fungieren. Eine monoprofessionelle Entwicklung, also nur aus der Perspektive der eigenen Profession, würde eine der derzeit größten Chancen verspielen: den Abbau von Versorgungsbrüchen hin zu berufs- und sektorübergreifenden Strukturen. Gleiches gilt für die Entwicklungen im Bereich der Schnittstellendisziplinen. Eine gute, zielgerichtete Entwicklung kann nur gemeinsam mit allen Akteuren gelingen. 

Kommen wir zurück auf die Anwendungsfelder von Digitalisierung in der Pflege. In Deutschland wird der Nutzen vor allem darin gesehen, dass Pflegefachpersonen wieder über mehr Zeit für die direkte Patientenversorgung verfügen, Sektorengrenzen überwunden werden und die Patientensicherheit erhöht wird. Aktuelle Entwicklungen konzentrieren sich daher beispielsweise auf den Einsatz von künstlicher Intelligenz (z. B. Bildanalyse für die Wunddokumentation), Extended Reality (z. B. Fort- und Weiterbildung) oder TeleCare (z. B. virtuelle Sprechstunden). Es wird deutlich, dass sich das Arbeitsumfeld von Pflegefachpersonen aktuell maßgeblich verändert, auch weil ein wesentlicher Teil der Tätigkeit von Pflegefachpersonen in der Beratung und Anleitung von Patient*innen und Angehörigen liegt. Wurden diese bisher in Themen wie dem Injizieren von Thrombosespritzen oder Führen von Symptomtagebücher geschult, werden in Zukunft die Benutzung von digitalen Devices oder eHealth Applikationen zum Tätigkeitsprofil gehören. 

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Bernadette Hosters
Leitung Stabsstelle Entwicklung und Forschung Pflege, Universitätsmedizin Essen