Physician Assistants – Digital Natives in der analogen Gesundheitsbranche
Unser Gesundheitswesen steht vor großen Veränderungen. Verschiedene Problematiken, wie Personalmangel, ungleich verteilte oder gar zu viele Kliniken und mangelnde Digitalisierung sind nur einige Punkte einer langen Bestandsaufnahme. Auch aus diesen Gründen ist ein tiefgreifender Wandel des Gesundheitswesens samt der zugehörigen Versorgungsstrukturen unumgänglich. Im Zentrum diverser notwendiger Changeprojekte steht die Digitalisierung mit zahlreichen Optionen einschließlich dem aufkommenden Megathema der Künstlichen Intelligenz.
Die Digitalisierung hat uns in den letzten Jahren gezeigt, dass Telemedizin viel mehr kann, als nur mit den Patienten telemedizinisch zu kommunizieren. Behandlungs- und Untersuchungskonzepte wie Remote CT Scanning oder der Telenotarzt zeigen exemplarisch, dass die Kombination aus Zentralisierung, Telemedizin, Digitalen Patientendaten, modernen Patienten- und auch Mitarbeiterkommunikationen, ein echtes Erfolgskonzept sein kann. Schlussendlich geht es dabei auch um die erforderliche Optimierung von Versorgungsstrukturen durch digitalbasierte Hausbesuche und Konsile. Besonders bedeutsam werden diese Ansätze in unterversorgten Gebieten.
Doch wer sind diejenigen, die am Patienten agieren, ärztlich delegierte Aufgaben übernehmen und mit Hilfe der Telemedizin Patienten umfangreich versorgen? Ein Lösungsansatz sind Physician Assistants. Der Physician Assistant (kurz: PA) ist ein medizinisch akademischer Berufszweig. Nach dem Bachelorstudium können Physician Assistants unter Anwendung ärztlicher Tätigkeiten interdisziplinär Patientinnen und Patienten versorgen.
Ich bin ein solcher Physician Assistant. Als Physician Assistant habe ich in meiner beruflichen Laufbahn verschiedene Kliniken und Fachbereiche durchlaufen und die Implementierung begleitet. Mit meinem Start-Up „PA Jobs“ verzeichnen wir die größte Informations-, Job- und Fortbildungsplattform für Phyiscian Assistants in Deutschland. Inzwischen bin ich auch Projektmanager an der Universitätsmedizin Essen, wo ich die Kliniken zu einer Integration von Physician Assistants in die interprofessionellen Teams begleite.
Das Arbeitsprinzip der Physician Assistants ist inzwischen, nicht zuletzt aufgrund der akademischen Ausbildung, sehr weitreichend. Das Berufsbild findet in Deutschland immer mehr Anklang. Besonders im ambulanten Sektor ist ein stark wachsendes Interesse zu verzeichnen. Stetig steigende Studierenden- und Absolventenzahlen bestätigen dies. Die Übertragung von Patientendaten, die telemedizinische Supervision von Untersuchungen aber auch das Zuschalten bei schwierigen Fragestellungen werden die Patientenversorgung steigern und zugleich den Delegationsprozess beidseitig sichern. Der Arzt wird weiterhin die Therapie leiten und den Behandlungsplan ausrichten, dabei aber immer mehr delegieren. Dieses Konzept ist schon heute keine reine Theorie mehr. Bereits mehrere Hausärzte haben Physician Assistants eingestellt und hybride Versorgungsstrukturen implementiert, mit Erfolg.
An diesen sehr positiven Erfahrungen knüpfen nun Verbände wie die Kassenärztliche Vereinigung Westfalen-Lippe mit größeren Projekten an. Es hat sich gezeigt, dass ein PA nicht nur qualitativ Patienten versorgen kann, sondern auch den Arzt entlasten und zu einer Fallsteigerung beitragen kann.
Bei der Herausforderung der Digitalisierung im Gesundheitswesen kommt den Physician Assistants ein weiterer Vorteil zu. Das junge Berufsbild bringt einen hohen Anteil an digital affinen Arbeitskräften in die immer noch viel zu analoge Gesundheitsbranche. Hier gibt es keinen Generationenkonflikt beim Thema Digitalisierung, sondern das Selbstverständnis der Digital Natives, die auf digitale Lösungen setzen. Zudem wird der in Deutschland noch sehr junge Studiengang in Richtung der digitalen Medizin optimiert. So wird eine wertvolle Grundlage für die großen Schritte bei der Digitalisierung in der Medizin geschaffen. Spezialisierte Masterstudiengänge werden diese Entwicklung weiter vertiefen.
Auf dem Weg zu neuen und digitalen Versorgungsstrukturen werden Physician Assistants einen interessanten Lösungsansatz bieten. Wir alle dürfen gespannt sein, wie sich das Berufsbild entwickelt und die Implementierung weiter voranschreitet.
Vorheriger Artikel Nächster Artikel