Risikofaktor Mensch

Der Faktor Mensch ist nicht selten dafür verantwortlich, dass es auch zu Fehlern im Behandlungsgeschehen von Patient*innen kommt. Zeitdruck, Personalknappheit etc. tun ihr Übriges hinzu. Dies ist nicht nur für Patient*innen belastend, wenn nicht sogar tödlich, sondern auch für die Behandlungsseite ein nicht gut hinnehmbarer bis unerträglicher Zustand. Ärzt*innen, Pflegepersonal und alle Gesundheitsfachberufe wollen heilen, nicht schaden! Und sehen sich diese dem Vorwurf einer Fehlbehandlung ausgesetzt, führt dies zu enormer psychischer Belastung. Die Folge ist nicht selten eine sog. Defensivmedizin.

Dies gepaart mit dem personellen und finanziellen Druck im Gesundheitswesen führt nicht selten zu einer Flucht aus den Gesundheitsberufen. Das kann und darf in einem Gesundheitssystem, das bislang zu den besten der Welt gehörte, nicht sein!

Die Digitalisierung kann bei der Minimierung von Behandlungsfehlern und dem Umgang mit menschlichen Faktoren im Gesundheitswesen eine wertvolle Hilfe darstellen. Hier sind einige mögliche Ansätze aufzuzeigen:

1. Elektronische Patientenakten: Aufgrund der Digitalisierung können alle relevanten medizinischen Informationen eines Patienten zentral erfasst und leicht zugänglich gemacht werden. Dies reduziert das Risiko von Fehlern bei der Übertragung von Informationen zwischen verschiedenen Gesundheitsdienstleistern. Exemplarisch zu nennen sind Medikationspläne, um mehrfach Verordnungen bzw. Verabreichungen zu vermeiden.

2. Entscheidungsunterstützungssysteme: Durch den Einsatz von Künstlicher Intelligenz können Ärzte und Pflegekräfte bei der Diagnosestellung und Behandlungsplanung unterstützt werden. Solche Systeme können medizinisches Fachwissen liefern und potenzielle Fehlerquellen aufzeigen. Behandelnde können hier eine sehr gute Entscheidungs- und Planungsunterstützung mit hohem Mehrwert und großem Fachwissen erfahren, was sie allein niemals leisten könnten, vor allem nicht innerhalb kürzester Zeit.

3. Fehlererkennung und -prävention: Digitale Lösungen können dazu beitragen, potenzielle Fehler frühzeitig zu erkennen und zu verhindern. Beispielsweise können Überwachungssysteme in Echtzeit Vitalparameter überwachen und bei kritischen Abweichungen sofort Alarm schlagen.

4. Schulung und Ausbildung: Digitale Technologien ermöglichen innovative Schulungs- und Ausbildungsmethoden für medizinisches Personal. Simulationen, virtuelle Realität und E-Learning-Plattformen bieten praxisnahe Erfahrungen und verbessern das Verständnis für komplexe medizinische Szenarien.

5. Telemedizin: Durch die Nutzung von Telemedizin können Patienten medizinische Beratung und Betreuung aus der Ferne erhalten. Dies reduziert die Notwendigkeit von physischen Arztbesuchen und verringert potenzielle Fehler bei der Übertragung von Informationen. Zudem können Spezialisten aus der Ferne hinzugezogen werden, um ein möglichst optimales Behandlungsergebnis durch hohe Kompetenz zu erreichen.

6. Reduzierung von administrativem Aufwand: Tools wie ChatGPT u.a. könnten administrative Aufwände wie Dokumentationen übernehmen und den Behandlern wertvollen Freiraum für die eigentlich medizinische Aufgabe zurückgeben. Das käme den Patient*innen zu Gute und würde Ärzt*innen das zurückgeben, wofür sie angetreten sind, nämlich den Dienst am Menschen. Und Patient*innen würde es eine höhere Versorgungssicherheit, aber eben auch das Gefühl im Zentrum des Geschehens zu stehen, geben.

Es ist wichtig zu beachten, dass die Digitalisierung allein nicht alle Probleme im Gesundheitswesen lösen kann, sie kann jedoch der entscheidende Schlüssel, ein sog. Gamechanger sein. Sie sollte als Unterstützung und Ergänzung zur menschlichen Expertise betrachtet werden, um die Patientensicherheit und die Qualität der Versorgung insgesamt zu verbessern.

Und damit nicht immer wieder der Datenschutz oder rechtliche Implikationen zur Verhinderung von Digitalisierung genannt werden, habe ich gemeinsam mit anderen namhaften Jurist*innen bzw. Rechtsanwält*innen das Werk “Recht - Medizin - digital” herausgegeben. Es soll für Nichtjuristen einen ersten Weg aufzeigen, wie Digitalisierung im Gesundheitswesen unter Beachtung der juristischen Vorgaben gelingen kann.

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Prof. Dr. Alexandra Jorzig
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