Digital Health and Gender Data Gap in der HNO-Heilkunde
Digital Health und die Nutzung von künstlicher Intelligenz (KI) bietet viele neue Möglichkeiten, auch im Fachbereich der Hals-Nasen-Ohrenheilkunde (HNO-Heilkunde). Fachärztinnen und Fachärzte der HNO-Heilkunde zeigen bereits eine sehr hohe Affinität zu digitalen Lösungen und sind z.B. unter den Spitzenreitern aller Fachdisziplinen bei der Rezeptierung von digitalen Gesundheitsanwendungen.
Während KI-basierte Technologien in der HNO-Heilkunde noch in Kinderschuhen stecken, zeigen sich aktuell klinisch erprobte Anwendungen bereits vielversprechend. Das Potential liegt hierbei insbesondere in der Verbesserung diagnostischer und therapeutischer Verfahren, sowie in der Erhöhung chirurgischer Präzision mit gleichzeitiger Risikominimierung für die Patienten. Dies gilt besonders für die Roboter-assistierte Chirurgie, zur Entfernung von Tumoren im Bereich des Rachens und Kehlkopfs, oder auch der Navigations-gesteuerten Operation im Bereich der Nasennebenhöhlen und Schädelbasis. Bereits eingesetzte, auf KI-Algorithmen basierende Anwendungen in der HNO umfassen die digitale Video-Otoskopie, die es ermöglicht digitale Fotos des äußeren Gehörgangs und Trommelfell zu erstellen und mit seinem behandelnden Arzt zwecks Diagnosefindung aus der Ferne zu teilen. Oder auch die Videolaryngoskopie, bei der Aufnahmen des Kehlkopfs auf Pathologien analysiert und eine onkologische Risikostratifizierung mittels KI erfolgt.
Kritisch im Einsatz von KI in der Medizin wird der fehlende Genderaspekt gesehen, als potenzielle Barriere einer personalisierten Medizin. Es stellt sich die Frage, ob und wie KI-Systeme geschlechtsspezifische Daten erzeugen und verarbeiten. Dies bezieht sich auch auf die Datensammlung und -analyse, die oft von geschlechtsspezifischen Verzerrungen oder Diskriminierungen betroffen sind. Hierbei wird oftmals kritisiert, dass Lernsysteme vor allem von Männern programmiert werden, und in klinische Studien Frauen unterrepräsentiert sind. Aber geschlechtsspezifische biologische und soziale Faktoren spielen eine tragende Rolle in der Häufigkeit, Ausprägung und dem Verlauf etlicher HNO-Erkrankungen. Beispielsweise in der Prävention, Diagnostik und Therapie von Malignomen im Kopf-Hals-Bereich, der Ätiologie von Hörstörungen oder auch bei der Kategorisierung von anatomischen Strukturen für bildgebende operative Begleitsysteme.
Entwickler digitaler Gesundheitsanwendung haben schon lange erkannt, dass das Einbinden von ärztlichem Fachpersonal zur Prozessoptimierung, auch zur Schließung des Gender Data Gap, notwendig ist. Zwar nahm in der HNO-Heilkunde über die letzten Jahrzehnte der Anteil an Ärztinnen zu, jedoch sind die akademischen Stellen und Führungspositionen noch überwiegend von Männern besetzt. Dies zeigt sich zudem im ungleichen Verhältnis von Erst- und Letztautorenschaften, auch im Bereich Digital Health, so dass zu befürchten ist, dass für diesen Fachbereich eine Genderbias besteht und sich weiterentwickelt. Dies ist nicht nur ein Problem der HNO-Heilkunde, aber wie für die meisten chirurgische Fachdisziplinen geltend, oft schwerwiegender im Vergleich zu nicht-chirurgischen Fächern.
Das Ziel sollte es somit sein, nicht nur mehr Frauen in die Forschung einzubeziehen, sondern auch mehr Frauen in Positionen zu führen, die Digitalisierungsfragen aus Medizinersicht entscheiden. Eine ausreichende weibliche Perspektive senkt das Risiko wichtige Genderaspekte in der Medizin zu übersehen. Zudem kann ein aktives Mitgestalten eine mögliche Scheu im Umgang mit Digital Health senken.
Die Zukunftsaussichten für dieses ohnehin bereits sehr technisch angehauchte Fach sind vielversprechend. HNO-Ärztinnen sollten sich aktiv an der Gestaltung und Evaluation von digitalen Gesundheitsangeboten beteiligen, um nicht nur das Potential, welches dieser Fachbereich bietet, zu ergreifen, sondern auch das Risiko geschlechtsbezogener Verzerrungen zu senken.
Prof. Dr. Magis Mandapathil, Fachärztin für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde, Medstar Georgetown Medical Center and University Hospital, USA ><
Vorheriger Artikel Nächster Artikel