Miss Cannabis
Ich habe einmal einen Persönlichkeitstest gemacht, der ergab, dass meine Risikobereitschaft höher ist als bei 98% der Menschen. Wie man über solche Tests denkt, ist ein anderes Thema, aber ich habe eine andere Sichtweise auf das Thema "Risiko" als viele andere. Für mich ist Stillstand gefährlicher als die Option, im Zuge einer Veränderung eine Überraschung zu erleben. Aus diesem Grund habe ich mich für mein Masterstudium in die Schweiz begeben und von dort aus eine Reise durch viele Länder und Jobpositionen angetreten. In Kopenhagen habe ich zum Beispiel am globalen Launch der aktuellen Mediensensation "Ozempic" gearbeitet und kurz danach mit Ärzten im ländlichen Japan über Diabetes-Medikamente und Pokémon diskutiert.
Bisher hat es sich immer ausgezahlt, einen Schritt ins Ungewisse zu wagen, und so bin ich auch in die Cannabis-Branche eingestiegen. Vom Pharma Großkonzern in ein Cannabis Start-Up – der Kontrast hätte kaum stärker sein können. Der Schritt war geprägt vom Wunsch nach mehr Selbstbestimmung. Ich kann mir meine Arbeitszeit nun komplett flexibel einteilen, Meetings habe ich maximal eines pro Tag und in ein Büro pendeln muss ich auch nicht. Ich möchte aber nicht verheimlichen, dass es auch Nachteile gibt. Mein Gehalt hat sich stark reduziert und auch andere Sicherheiten sind weggefallen. Allerdings habe ich unter dem Strich mehr dazu gewonnen als verloren.
Was hat es nun mit dieser Cannabis-Industrie auf sich? Kaum jemand weiß, dass es „Cannabis auf Rezept“ schon seit 2017 in Deutschland gibt. Ärztinnen und Ärzte sind oft zurückhaltend, es mangelt an Wissen und Erfahrung, und Krankenkassen übernehmen die Kosten selten. So hat sich eine Therapielandschaft ergeben, in der spezialisierte Telemedizin-Anbieter vorpreschen und den Markt dominieren. Für viele Patientinnen und Patienten ist das ein Segen, da sie endlich Zugang zu dieser Therapieoption bekommen.
Gleichzeitig basiert das aktuelle Modell darauf die Behandlungskosten aus eigener Tasche zu tragen. Ein System, in dem Patientinnen und Patienten monatlich mehrere hundert Euro für Medikamente und Arztkonsultationen bezahlen müssen, ist diskriminierend und aus meiner Sicht inakzeptabel. Mit zunehmender Akzeptanz innerhalb der Bevölkerung und entsprechendem politischen Druck, wird sich aber auch das bald verbessern.
Aktuell überschlagen sich die Ereignisse, und ganz Deutschland spricht über die Legalisierung von Cannabis zu Genusszwecken. Das Thema ist polarisierend, und viele haben Cannabis nach wie vor als Einstiegsdroge abgespeichert – eine Theorie, die wissenschaftlich widerlegt ist.
Es ist mehr als erfreulich, dass die Zeit der Prohibition nun bald ein Ende findet. Aus rein menschenrechtlicher Sicht ist es auch nicht zu rechtfertigen, dass jemand für den Konsum von Cannabis kriminalisiert wird. Davon abgesehen hat die Prohibition offensichtlich nicht funktioniert: Die Zahlen der Konsumenten steigen seit Jahren, und es ist keine Trendwende in Sicht. Je nach Statistik, konsumieren ca. 10% der Deutschen bereits heute Cannabis.
Gleichzeitig legen wir bei IUVO auch Wert darauf, dass Cannabis nicht für jeden ist. Wenn man durch die Medienlandschaft schaut, stolpert man schnell über Versprechen, die von „führt zu Weltfrieden“ bis hin zu „heilt deine kranke Katze“ reichen. Cannabis ist aber sicher kein Allheilmittel. Wir setzen uns dafür ein, einen wissenschaftlich informierten Dialog zu führen und somit fundierte Entscheidungen zu ermöglichen.
Aus unternehmerischer Perspektive ist das sehr spannend. Eine Industrie, die mehrere Millionen bestehende Verbraucher, aber bisher keinerlei legale Struktur hat, wird innerhalb kürzester Zeit aus dem Boden gestampft. Ich bin dankbar, dass ich hier mitgestalten kann und kann es kaum erwarten, was die Zukunft bringen wird.
Marie Claire-Kempf
Head of Sales, IUVO Therapeutics ><