„Gesundheit ist nicht alles, …

… aber ohne Gesundheit ist alles nichts.“ So abgegriffen dieser Aphorismus von Arthur Schopenhauers auch ist, ich komme angesichts der aktuellen politischen Diskussionsrunden nicht umhin, ihn auch einmal zu bemühen. Denn es will sich mir einfach nicht erschließen, warum Gesundheitspolitik im Wahlkampf zur Bundestagswahl nicht vorgekommen ist.

Stattdessen: Ein mehr oder weniger eindimensionaler Diskurs, der – um Missverständnisse vorzubeugen – ohne Zweifel wichtige Themen aufgreift. Aber gesundheitspolitische Fragestellungen und tragfähige Entwürfe für ein zukunftsfähiges Gesundheitssystem? Fehlanzeige. Gleiches galt im Übrigen für den demografischen Wandel, der ebenso nicht unerwähnt bleiben darf, wenn man von der Zukunft der medizinischen Versorgung und insgesamt der Stabilität der sozialen Sicherungssysteme in unserem Land spricht.

Für mich ist das alles nicht nur als Ärztlicher Direktor und Vorstandsvorsitzender einer Universitätsmedizin höchst irritierend. Gesundheit, medizinische Versorgung, bezahlbare Pflegeplätze und vieles mehr aus dem großen Kosmos der gesundheitspolitischen Daseinsvorsorge ist scheinbar zumindest für die Medien kein A-Thema, das hat uns der letzte Wahlkampf noch einmal schmerzlich vor Augen geführt. Als normaler Wähler wundere ich mich umso mehr über diese Ignoranz, sind doch die aktuell explodierenden Kosten für die Beitragszahler nur einer von vielen Indikatoren für die dringende und durchgreifende Reformbedürftigkeit des Gesundheitswesens. Die hohen Energiepreise, die Steuerbelastungen, die Auswirkungen auf die persönliche Lebenssituation der Menschen in diesem Land, dies alles wurde thematisiert. Aber die permanent steigenden Kosten für die Gesundheit, der zweitgrößte Sozialversicherungs-Abzug auf der Gehaltabrechnung, scheint kein Thema zu sein. Und dies, obwohl laut einer Umfrage der Direktbank ING rund ein Viertel der Bürger über keinerlei Ersparnisse verfügt, eine toxische Mischung aus zu geringen Einkommen, aber eben auch hohen Abgaben. Kaum auszumalen, was geschieht, wenn diese Menschen einmal pflegebedürftig werden sollten.

Und so könnte man noch ewig und drei Tage über die geradezu groteske Untergewichtung der Gesundheitsversorgung in der politischen Diskussion lamentieren, ebenso wie über die wichtige Funktion einer funktionierenden medizinischen Versorgung für die Akzeptanz unseres demokratischen Systems. Allein: Es nutzt nichts. Und so habe ich für mich entschieden, auch und gerade deswegen nicht in Fatalismus zu verfallen, sondern weiterhin mit voller Kraft am

Umbau des Gesundheitssystems, an Digitalisierung und dem Einsatz von Künstlicher Intelligenz, vor allem aber an der dringend notwendigen Reform unserer Krankenhauslandschaft zu arbeiten. Denn eines ist doch klar: Nur weil aktuell nur am Rande über die Gesundheitsversorgung gesprochen wird, sollten wir nicht dem Irrglauben verfallen, die Probleme hätten sich in Luft aufgelöst. Im Gegenteil: Die strukturellen Defizite unseres Gesundheitssystems werden früher oder später auch der neuen Regierung wieder auf die Füße fallen. Und damit wiederholt sich das ewig gleiche Spiel im Rhythmus der Legislaturperioden. Nur werden die Probleme eben von Mal zu Mal größer.

Daher brauchen wir jetzt vor allem zwei Dinge: Geschwindigkeit und Strukturreformen. Trotz der scheinbaren Apathie und Stagnation bin ich bezüglich des ersten Punktes sogar ganz optimistisch. Die bevorstehende Neuordnung der Welt, das Verschwinden von jahrzehntealten Gewissheiten und Allianzen bringt nicht nur bei der Rüstungs- und Sicherheitspolitik, sondern in viele Politikfeldern ein ausgeprägtes Momentum der Veränderung, davon bin ich überzeugt. Der notwendige Druck zur Transformation kann auch auf das Gesundheitswesen abstrahlen, wenn dieser Impuls genutzt, moderiert und fokussiert wird. In diesem Sinne wünsche ich der neuen Bundesregierung bereits jetzt viel Glück, vor allem aber Mut, Entschlossenheit und Tatkraft.

Und zweitens werde ich mich weiterhin auf der eher „strategisch-handwerklichen“, aber vor allem praktischen Ebene mit der Zukunft unserer Kliniken als Rückgrat der Gesundheitsversorgung beschäftigen. Mein neues Buch „Krankenhaus geht besser“ mag einen auf den ersten Blick irritierenden Titel angesichts der scheinbar überbordenden Herausforderungen besitzen. Aber der Titel ist ein bewusst gewähltes Bekenntnis und soll allem eines vermitteln: Es kann funktionieren, wenn wir nur wollen und die vier zentralen Prinzipien, gleichsam das vierblättrige Kleeblatt eines zukunftsfähigen Krankenhauses, beachten und umsetzen: Smart, economic, green und human. Im Kern geht es darum, durch konsequente Digitalisierung, sinnvolle Ökonomie und mehr Nachhaltigkeit wieder für mehr Menschlichkeit und damit auch für mehr Effizienz im System zu sorgen. Und auch wenn es auf den ersten Blick so scheinen mag: Alle diese Faktoren stehen nicht im Widerspruch zueinander, sondern sind untrennbar miteinander verbunden und verstärken sich gegenseitig.

Menschlichkeit und Ökonomie müssen endlich sinnvoll ineinandergreifen, die Digitalisierung muss die Basis werden, um die Medizin wieder besser und langfristig bezahlbar zu machen. „Krankenhaus geht besser“ ist mein Beitrag gegen die grassierende Mutlosigkeit und Resignation und stattdessen ein Plädoyer dafür, mit klaren Handlungen spürbare Verbesserungen zu erreichen.

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Prof. Dr. Jochen A. Werner
Ärztlicher Direktor und Vorstandsvorsitzender der Universitätsmedizin Essen