Die Zukunft der Hausarztmedizin
Als langjährig arbeitender Hausarzt weiß ich, wie provokant dieser Zitat klingt und wie umstritten dessen Implikationen in meiner eigenen Berufsgruppe sind. Ich möchte den- noch einen Appell für mehr Technologieoffenheit wagen.
Analoge Allgemeinmedizin an Ihren Grenzen
Patienten benötigen eine wohnortnahe ärztliche Versorgung und wollen möglichst lange autark in ihren eigenen vier Wänden leben - das Wort “Ambulantisierung” ist in jeder Munde. Diese Vision kann ohne eine Stärkung der Hausarztpraxis als Erstanlaufstelle mit beratender, vernetzender und steuernder Funktion nicht erreicht werden. Viele Kollegen im ländlichen aber auch städtischen Raum finden jedoch schon jetzt keine Nachfolger und das, obwohl die eigentliche “Abgabewelle” noch vor uns steht. Die Ausgangssituation für nachfolgende Kolleginnen wird durch die häufig rückständige Digitalisierung der Praxen noch verschärft. Wachsender Bedarf trifft auf eine bröckelnde Infrastruktur - es braucht zeitgemäße und vor allem funktionierende Lösungen, sofort.
Technologie zur Stärkung der Hausarztpraxis
Die Hausarztpraxis der Zukunft nimmt als Schaltzentrale für erstklassig ausgebildete Ärzte eine Schlüsselposition unserer Versorgung ein. Von hier aus kümmern sich interdisziplinäre Behandlungsteams ganzheitlich um Themen von Prävention über Akutintervention bis hin zur palliativen Begleitung Ihrer Patienten. Technologie wird die Reichweite, Kapazität und “medizinische Schlagkraft” der Teams vergrößern. Aber was heißt das konkret?
LLMs und neuronale Netze im Einsatz
Ein zentrales Thema im Praxisalltag ist die Patientensteuerung nach medizinischen Indikatoren. Schon bei der Triagierung und Terminvergabe kann KI eine entscheidende Rolle spielen, um Hochrisikopatienten bei der Terminvergabe zu priorisieren und rein administrative Anfragen (Rezeptbestellungen, Reha-Verordnungen) zur asynchronen Freigabe vorzubereiten. Auch die “Patient-Journey” wird sich elementar verändern. Als Nachbereitung zum eigentlichen Kontakt werden meine Patienten selbständig und in ihrer Muttersprache auf Informationen zu ihrem Krankheitsbild und der geplanten Behandlung zugreifen. In unserem multikulturellen Umfeld kann dies die Kommunikation und das Krankheitsverständnis erheblich verbessern.
Ärztliche Selbstständigkeit 2.0
Als Arzt profitiere ich von der Summe der Einzelteile. Vor jeder Sprechstunde bekomme ich einen automatisch generierten Patient-Report, welcher auf einen Blick alle Informationen aus Arztbriefen, Überweisungen und der individuellen Krankheitsgeschichte in Bezug auf das aktuelle Anliegen zusammenfasst und mit leitliniengerechten Behandlungsvorschlägen verknüpft. Das Blättern durch Briefstapel oder PDFs gehört endgültig der Vergangenheit an. Auch mein Praxismanagement ist schon heute so fortgeschritten, dass ich das zeitintensive Thema Abrechnung und Buchhaltung ausgelagert habe, aber dank tagesak-tuelle Analytik jederzeit über den betriebswirtschaftlichen Zustand meiner Praxis informiert bleibe. Das bedeutet weniger Administration, stattdessen eine verlässliche Datengrundlage für die strategische Praxisführung und insgesamt mehr Zeit für gute Medizin.
Digitalisierung und das Verknüpfen von Gesundheitsdaten sind von größter Bedeutung für die Modernisierung unserer Hausarztpraxen und stellen die Grundlage dar, um KI-Anwendungen überhaupt einführen zu können.
Ich bin mir sicher:
1. Die menschliche Kompetenz des Arztes “in the driver’s seat” bleibt der entscheidende Faktor für die Zufriedenheit der Patienten. 2. KI als Copilot wird die Erreichbarkeit und Reichweite der Behandlungsteams sowie die Genauigkeit von Diagnostik und Therapie nachhaltig verbessern. 3. Eine Zukunft der Hausarztpraxis ohne diese Technologie wäre eine vergebene Chance.
Die kommende Generation von Hausärzten kann mit Ihrem Praxis-Setup schon jetzt den Grundstein legen, um barrierefreie, präventive und präzise Medizin für die Menschen Ihrer Region anbieten zu können. Ich freue mich darauf, diese gemeinsame Vision umzusetzen!
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