Führung als Gamechanger im digitalen Gesundheitswesen
In der sich rasch verändernden Landschaft des digitalen Gesundheitswesens, in der bahnbrechende Technologien und innovative Lösungen ständig die Art und Weise, wie wir Gesundheitsversorgung angehen, neu gestalten, bleibt ein Faktor entscheidend: Führung. Führung, oft übersehen in Diskussionen, die von technologischen Fortschritten und datengesteuerten Strategien dominiert werden, ist der unbesungene Game-Changer, der den Schlüssel dazu hält, das volle Potenzial des digitalen Gesundheitswesens zu entfalten. Aber wie packt man es an, wenn’s konkret wird?
Die entscheidende Rolle der Führung
Führung ist nicht nur das Verwalten von Teams oder das Treffen von Entscheidungen auf höchster Ebene; es geht darum, Visionen zu inspirieren, Zusammenarbeit zu fördern und bedeutende Veränderungen voranzutreiben. Das gilt insbesondere bei der gematik (damals noch Gesellschaft für Telematikanwendungen der Gesundheitskarte mbH), wo der Wandel aus der Paralse in die Performance der unabdingbare politische Auftrag ist.
Visionäres Denken: Da Führung darauf angewiesen ist, aufrichtige Gefolgschaft bei den Geführten auszulösen, braucht es eine gut inszenierte Initialzündung als Basis des Führungsanspruches. Mitarbeitende spüren sehr rasch, ob es nur um Buzz-Wörter und Self-Promotion geht oder die Sache Substanz & Kragenweite hat. Zum Start an Tag 1 brachte ich daher ein auf zwei Seiten formuliertes Selbstverständnis der zukünftigen gematik mit. Es ging um ein neues Rollenverständnis, Kundennähe, überzeugende Produkte, Außenwendung, Partnerschaften, Freude am Erfolg und Kompetenzen ungehindert Einbringen. Dieses Selbstverständnis wurde nirgendwo plakatiert, sondern von jedem Einzelnen persönlich adaptiert und „inhaliert“- und bald merkten die Ersten: Man wurde “high“ davon, das Selbstbewusstsein stieg nach jahrelanger gebückter Haltung. Die Abteilungen, die sich auf den Weg machten, lieferten bald bessere Mit- arbeiter-Stimmungsbarometer ab – und die Museumswärter-Zonen verblieben eben noch ein Weilchen im faden Takt. Aus dem Selbstverständnis schöpften viele Mitarbeiter mehr Selbstbewusstsein in zweierlei Hinsicht: Ich darf für meine Überzeugungen mehr einstehen als früher und ich muss mich selbst bewusst beobachten, ob das, was ich erarbeite so auch sinnvoll von Kunden empfangen wird.
Expeditions-Ausstattung: Das eindrucksvollste Erlebnis der ersten Wochen: Es gibt kein Gäste-WLAN, kein Outlook-WebEx, keine digital moderne Datenverarbeitung. Die Personaldaten in Excel, kein ERP-System in Finance, kein CRM im Haus. Eine Digitalagentur spielt auf Kohlepapier. Daher muss Führung hier auch apodiktisch werden, keine langen Beteiligungsdebatten führen, sondern stringent moderne Technik ins Haus holen und Muster durchbrechen. Ich habe im ersten Jahr auf das “Sie“ bestanden, um in vielerlei Hinsicht genügend Kommando geben zu können. Nicht umsonst heißt es: Je höher die Not, desto mehr führt. Und dann kommt auch der richtige Moment in’s “Du“ überzugehen – und es hat zugegebenermaßen einen erfrischenden Effekt. In vielen Führungsrunden habe ich die Abteilungsleiter gebeten, sich nicht zu lange mit den Mitarbeitenden zu beschäftigen, die nach dreimaliger Darlegung des Plans immer noch da- nach rufen „sie wollten mitgenommen werden“. Dieser vermeintliche Ruf nach Beteiligung kommt leider nicht selten von Komfort-Zonesiern der ewigen Verharrung.
Neues Spiel braucht neue Regeln: Der Game-Changing Effekt benötigt eine sehr rasche Umstellung des Hauses in Arbeitsweise und Mannschaftsaufstellungen. Beispiele: Der Führungskreis wurde erweitert, um mehrstimmig die unternehmerischen Entscheidungen bis zur besten Lösung zu durchdringen. Die starre Entwicklung von Spezifikation im Wasserfallmodus wurde durch iterative Verfahren mit Kundenfeedback ersetzt und eine Vielzahl von Dialogformaten mit Praxis, Klinik, Apotheke, Pflege und Industrie aufgebaut – damit man uns besser versteht und wir eine Menge dazulernen.
Zugewandtheit: Es ist wie in der privaten Liebe. Alles lebt von der aufrichtigen Zugewandtheit. Wer sich nicht gerne am Sonntag über sein Team Gedankenmacht, sollte nicht Führen wollen. Veränderung erfordert ständige Erläuterung von Kontext, Mitarbeiter dürfen erwarten, die Zusammenhänge selbst nachzuvollziehen. Mitarbeitende bewegen sich meist, wenn für ihr eigenes Leben dabei ein bereicherndes Erlebnis winkt. Führungsmenschen geben daher sehr viel von sich selbst preis. Vertrauen ist implizit die offene Preisgabe von Verwundbarkeit – wenn es aufrichtig geschenkt wird, berührt es viele Mitarbeitende sehr. Überhaupt war die gematik emotional ein recht nüchternes Miteinander. Wir haben sehr bewusst mehr Gefühl eingebracht, um mehr High-Five-Momente gemeinsam zu haben, Erfolge wirklich auch zu feiern und um Fehlerkultur mit Rückendeckung zu ermöglichen. Meine Emotionen zu zeigen, half zudem den Kollegen und Kolleginnen mich verlässlich lesen zu können und meinen Stolz & Zuversicht für den weiteren Change im Auge zu erkennen. Wer die Chance verpasst, seine Mitarbeitenden aufrichtig und tief zu berühren, wird sie auch nie wirklich fundamental bewegen.
Anpassungsfähigkeit im politischen Umfeld: Die Landschaft des digitalen Gesundheitswesens verändert sich ständig – in Deutschland nicht nur in Technik, sondern übermäßig viel in Regulation und Limitierung. Politische Vorgaben sind nicht selten gesellschaftliche Kompromisse – weit entfernt von technisch besten Lösungen existiert eine in die Jahre gekommene Infrastruktur und werden Forderungen an die gematik gestellt, die damit nicht immer leistbar sind. Unsere Antwort nach 18 Monaten der Analyse war eine TI 2.0 - initial übrigens aus eigener Not in einer Selbstreflektion entworfen. Führung gab hiermit wieder Perspektive und musste ein Jahr lang nach innen und außen vermitteln, damit die Mannschaft die Einordnung des limitiert Möglichen annimmt. Mittlerweile gibt es weitere Einsichten: Die zentrale Infrastruktur im freien Marktmodell durch eine Vielzahl von Anbietern zu stellen führt in ein fehleranfälliges Koordinierungsballett. Infrastruktur ist dann stabil, wenn uniform mit möglichst wenigen Übergabepunkten ausgeführt wird. Das weitere Angebot der Produkte kann dann umso überzeugender aus Anbietervielfalt erblühen. Sollte sich dieser Erkenntnis durchsetzen, wäre das Resultat wahrlich ein systemischer Game-Changer.
Kooperativer Geist: Zusammenarbeit ist im digitalen Gesundheitswesen entscheidend, wo der Erfolg oft davon abhängt, wie effektiv über disziplinäre Teams und Stakeholder hinweg zusammengearbeitet wird. Führungskräfte müssen geschickte Kommunikatoren sein. Ich habe viel mit Bildern gearbeitet und bin bewusst in der ein oder anderen öffentlichen Debatte für die Mitarbeitenden eingetreten. Und Humor war angesichts des Gegenwindes das beste Stärkungsmittel der Resilienz.
Ethik und Integrität: Mit dem Fortschritt der digitalen Gesundheitstechnologien werden ethische Überlegungen zu Data-Privacy, Patienteneinwilligung und gerechtem Zugang zur Versorgung immer wichtiger. Führungskräfte müssen unerschütterliche ethische Integrität und ein Engagement für die Einhaltung der höchsten Standards von Professionalität und Rechenschaftspflicht zeigen.
Transformative Führung in Aktion
Die Auswirkungen von transformativer Führung im digitalen Gesundheitswesen zeigen sich in den Erfolgsgeschichten von Organisationen und Initiativen, diebemerkenswerte Ergebnisse erzielt haben, indem sie visionäre Führung und Innovation priorisiert haben. Die Reise der gematik geht glücklicherweise weiter. Die gematik ist noch nicht da, wo sie sein kann. Und so wird die Herangehensweise weiterhin neue frische Ansätze wählen.
Die Zukunft der Führung im digitalen Gesundheitswesen
Wenn wir in die Zukunft des digitalen Gesundheitswesens blicken, wird die Rolle der Führung nur noch entscheidender. Mit Fortschritten in der künstlichen Intelligenz, Telemedizin, tragbaren Technologien und personalisierter Medizin am Horizont sind die Möglichkeiten für Innovation und Wachstum im digitalen Gesundheitswesen nahezu unbegrenzt. Um dieses Potenzial zu realisieren, werden visionäre Führungskräfte benötigt, die in der Lage sind, die Komplexitäten einer sich schnell verändernden Landschaft zu navigieren und andere dazu zu inspirieren, sie auf dieser transformatorischen Reise zu begleiten. Um die nächste Generation von Führungskräften im digitalen Gesundheitswesen zu fördern, müssen Organisationen in Führungsentwicklungsprogramme, Mentoring-Möglichkeiten und interdisziplinäre Zusammenarbeit investieren. Indem wir Führungskräfte mit dem Wissen, den Fähigkeiten und den Ressourcen ausstatten, die sie benötigen, um erfolgreich zu sein, können wir sicherstellen, dass das digitale Gesundheitswesen weiterhin gedeiht und sein Versprechen erfüllt, die Gesundheitsversorgung zu revolutio- nieren und die Ergebnisse für die Patienten zu verbessern. Gerade im Gesundheitswesen ist Zuwendung zwischen Menschen das Urelement – nicht nur zwischen Arzt und Patient, sondern auch zwischen allen Beteiligten.
The Beauty of the Project
Zusammenfassend ist Führung der ultimative Game-Changer im digitalen Gesundheitswesen. Durch Förderung visionären Denkens, vermittelnder Anpassungsfähigkeit, aufrichtiger Zuwendung, Zulassen von Emotion und ethischer Integrität haben Führungskräfte die Macht, bedeutende Veränderungenvoranzutreiben und das volle Potenzial des digitalen Gesundheitswesens zu entfalten. Es gibt kaum etwas Schöneres.
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