Glaub nicht alles, was Du denkst
Halo-Effekt - Wenn der Schein trügt.
Stell dir vor, du sitzt in einem Café und beobachtest die Menschen um dich herum. Du denkst bei der gut gekleideten Frau am Nachbartisch vielleicht: „Sie sieht aus wie eine Chirurgin.“ Und der Mann gegenüber? Vielleicht hältst du ihn für einen kreativen Künstler, basierend auf seinem auffälligen Hemd. Doch warum neigen wir dazu, solche Annahmen über Berufe oder gar Charaktereigenschaften anhand äußerer Merkmale zu machen?Erklärt wird dieses Phänomen mit dem sogenannten Halo-Effekt - einer kognitiven Verzerrung oder besser noch, einem Urteilsfehler, der uns glauben lässt, das Wesen eines Menschen einschätzen zu können, nur weil uns ein positives Merkmal beeindruckt. Der Begriff wurde vom US-amerikanischen Psychologen Edward Lee Thorndike geprägt, der diesen Effekt erstmals Anfang des 20. Jahrhunderts untersucht hat. Wörtlich geht die Bezeichnung auf das englische Wort “halo” zurück, welches für “Heiligenschein” steht und symbolisiert, dass eine einzelne positive Eigenschaft oft so stark strahlen kann, dass sie andere Merkmale ausblendet. Der Halo-Effekt macht vor kaum einer Alltagssituation halt: beruflich, privat, familiär - er lässt uns glauben, dass attraktive Menschen klüger, freundlicher oder kompetenter seien, als sie es möglicherweise tatsächlich sind.
Doch ist das wirklich ein Zeichen unserer Oberflächlichkeit? Nein, viel eher ist es ein Hinweis darauf, dass unser Gehirn Abkürzungen liebt und dazu neigt, aus wenigen Informationen große Schlüsse zu ziehen. Ein strahlendes Lächeln und eine angenehme Stimme verzaubern einen potentiell Verdächtigen schnell zum Unschuldslamm, wohingegen ein unglücklich gewählter Kleidungsstil Zweifel an der Kompetenz eines Menschen aufkommen lässt. Was uns im ersten Moment skeptisch stimmen könnte, erweist sich bei genauerem Hinsehen durchaus als nützlich. Nämlich wenn wir lernen, den Halo-Effekt für uns zu nutzen. Heißt das, täuschen und blenden, um von Schwachstellen abzulenken? Natürlich nicht. Aber es bedeutet, den Fokus auf das zu lenken, was uns ausmacht und von anderen unterscheidet. In manchen Bereichen so sehr zu strahlen, dass es andere Seiten einfach in den Schatten stellt.
Mental Health Hack: Wie gehen wir nun damit im Alltag um? Wenn uns bewusst ist, dass wir dazu neigen, aufgrund minimaler Informationen voreilige Schlüsse zu ziehen, können wir Denkfehler wie den Halo-Effekt minimieren. Beim nächsten Mal, wenn du denkst „Wow, in deren Leben scheint alles perfekt zu laufen“, erinnere dich daran, dass du möglicherweise einem Schein zum Opfer gefallen bist. Meistens sehen wir bei anderen gerade nur das, was uns selbst fehlt und blenden dabei negative Aspekte aus. Außerdem neigen wir dazu, bei uns selbst überkritisch und bei anderen viel zu leichtgläubig zu sein. Gerade weil wir uns bei uns selbst nicht so leicht durch den Heiligenschein blenden lassen. Erlaube dir also auch bei anderen über den Tellerrand hinaus zu blicken und den ersten Eindruck zu hinterfragen. Und wer weiß: Vielleicht wartet dann die ein oder andere Überraschung auf dich und die Chirurgin entpuppt sich als chaotische Künstlerin.
Was lernen wir daraus? Ja, oft gilt: Der erste Eindruck zählt! Aber er erzählt niemals die ganze Geschichte. Die eigenen Denkfehler zu entlarven kann manchmal knifflig sein - hier kann ein professioneller Blick von außen helfen. Psychologen können dir dabei helfen, nicht nur uns selbst einen Spiegel vorzuhalten, sondern auch die rosa Brille abzunehmen, durch die wir manchmal das Leben anderer betrachten. Und dieser klare Blick kann manchmal ganz schön erfrischend sein!
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