Health is wealth: The glory of prevention
Laut den Vereinten Nationen übersteigt der Anteil der Menschen über 65 Jahre mittlerweile die Anzahl der Kinder unter fünf Jahren. Dieses enorme Wachstum der älteren Bevölkerung stellt Gesellschaften weltweit vor erhebliche Herausforderungen und erfordert neue Ansätze im Umgang mit altersbedingten Krankheiten: Die Lebenserwartung an sich ist zwar gestiegen, jedoch nicht die gesunde Lebenszeit. Es ist dringend notwendig, geeignete, Maßnahmen zu ergreifen, um Gesundheit im Alter zu sichern und das in absehbarer Zeit überforderte Gesundheitssystem zu entlasten. Der demografische Wandel und der drohende Kollaps der Sozialsysteme haben ein ähnlich zerstörerisches Potenzial wie der Klimawandel, werden aber weitgehend ignoriert. Aber selbst wenn genügend Ressourcen vorhanden wären, um jeden altersbedingt Kranken würdig und angemessen zu versorgen: Sollte nicht auch dann das Ziel sein, geistig und körperlich gesund zu bleiben? Am besten wäre es, Krankheiten gar nicht erst entstehen zu lassen, da jede gesundheitliche Zäsur den Alterungsprozess beschleunigt. Leider arbeitet die herkömmliche Medizin meist symptombezogen und reaktiv. Ärzte sehen Patienten oft erst, wenn es zu spät ist. Über die Hälfte der tödlichen Krankheiten wären vermeidbar, doch das Wort “Vorsorgeuntersuchung” ist nicht sexy. Es mangelt an Bewusstsein für präventive Maßnahmen, obwohl diese Leben retten und die Lebensqualität verbessern können. Zwei Beispiele für präventive Technologien sind Genomsequenzierung und Pharmakogenetik. Lassen wir ethische und datenschutzrechtliche Diskussionen, die es sicherlich zu führen gilt, für den Moment einmal beiseite. Diese Methoden ermöglichen es, genetische Prädispositionen für Krankheiten zu identifizieren und maßgeschneiderte Präventionsstrategien zu entwickeln. Die DNA-Entschlüsselung liefert nicht nur Informationen darüber, welche Krankheiten jemand entwickeln könnte, sondern zum Beispiel auch, welches Training optimal ist und welche Medikamente vermieden werden sollten. Personen mit einem genetisch erhöhten Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen können etwa durch Lebensstil- Anpassungen und entsprechende Medikamente ihre Risiken signifikant senken. Auch die Pharmakogenetik ist ein wichtiges Präventiv-Tool. Selbst “harmloses” Aspirin wird je nach genetischer Disposition unterschiedlich metabolisiert. Ist es nicht absurd, dass wir trotz dieses Wissens immer noch nach Gewicht dosieren? Einfach und effektiv ist das Continuous Glucose Monitoring (CGM). Diabetes ist der Erzfeind der gesunden Langlebigkeit. Sobald Diabetes auftritt, erhöht sich das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Alzheimer und Krebs um ein Vielfaches. Die Schlussfolgerung hieraus: Diabetes muss unbedingt verhindert werden. Mit einem CGM kann ich rechtzeitig mein Risiko evaluieren und mein Verhalten anpassen. Jedes Glukoseprofil ist unterschiedlich; Kartoffeln mögen meinen Glukosespiegel nicht stark ansteigen lassen,den Ihren jedoch schon. Und: Menschen können lange prädiabetisch sein, bevor Symptome auftreten. Als Arzt möchte ich meinen Patienten diese individuellen Diagnostiken ermöglichen, weil ich weiß, wie viel Leid dadurch vermieden werden kann. Leider ist dies in unserem System bis dato so nicht vorgesehen. Die meisten dieser Methoden stehen nur in geringerem Umfang Privatpatienten oder Selbstzahlern zur Verfügung. Zu kurzfristig gedacht, wenn man weiß, dass chronische und altersbedingte Krankheiten immense Kosten verursachen. Ein kultureller Wandel ist hier dringend erforderlich. Gesundheitsförderung und Prävention müssen als zentrale Elemente eines modernen Gesundheitssystems verstanden werden. Es bedarf klarer gesetzlicher Rahmenbedingungen und finanzieller Anreize. Die Kostenübernahme für Vorsorgeuntersuchungen durch Krankenkassen muss ausgeweitet und die Forschung im Bereich Prävention stärker gefördert werden. Innovative Technologien müssen stärker in die Gesundheitsversorgung integriert werden, was Investitionen in Infrastruktur und die Ausbildung von Fachkräften erfordert. All dies sollte eher gestern als morgen umgesetzt werden, um den Zerfall der Sozialsysteme zu verhindern. Es liegt an uns, die nötigen Voraussetzungen zu schaffen. Let’s do it.
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