Wörter machen was mit uns - Warum „Prävention“ in der Nische bleibt und „Longevity“ weltweit der krasseste Hype ist

In den Segmenten Prävention, Gesundheitsvorsorge und des Wellbeing erleben wir derzeit ein spannendes Phänomen: Während „Prävention“ als Konzept und Thema hartnäckig in der Nische zu verharren scheint, erlebt „Longevity“ einen beispiellosen Hype und eine zunehmende Popularität. Aber warum ist das so? Die Unterschiede liegen nicht in den Prinzipien oder den zugrunde liegenden Wissenschaften, sondern in der Wahrnehmung und vor allem im Marketing. Wörter haben eine enorme Macht über unsere Wahrnehmung und Entscheidungen, und dies zeigt sich nirgendwo deutlicher als in der Gesundheitsbranche.

Wer & was heilt, hat recht

Es ist ein alter Grundsatz: Wer heilt, hat recht. Und wer Menschen dazu bewegt, sich gesundheitsförderlicher zu verhalten, ebenfalls. Hierbei spielt die Evidenz eine große Rolle, doch noch entscheidender ist oft die Art und Weise, wie Informationen und Angebote präsentiert werden. Das ist ein Schlüsselpunkt in der Diskussion um Prävention und Longevity. It‘s all the marketing.

Die Magie der Vermarktung

Prävention wird häufig als etwas Nüchternes und Notwendiges dargestellt – etwas, das man tun sollte, um zukünftige Probleme zu vermeiden. Es klingt nach Pflicht und Verzicht, nach etwas, das uns daran erinnert, dass es nicht OK ist, wie wir uns verhalten, dass wir verletzlich sind und proaktiv handeln müssen, um Krankheiten zu verhindern. Prävention wird oft als eine Art defensive Maßnahme angesehen, die auf Verzicht und Einschränkung basiert – und Spaßbefreit ist – und damit auch einfach uncool. Im Gegensatz zu Prävention Longevity mit einem Hauch von Exklusivität und modernster Wissenschaft beworben. Produkte und Dienstleistungen, die Langlebigkeit versprechen, wirken glamourös und erstrebenswert. Sie versprechen nicht nur ein längeres Leben, sondern auch ein besseres, gesünderes und erfüllteres Leben. Die Vermarktung dieser Produkte und Dienstleistungen ist brillant: Sie sprechen unsere tiefsten Wünsche nach Vitalität, Jugend und Leistungsfähigkeit an. Gesundheit ist übrigens auch bei der GenZ heute eine der wichtigsten Werte – jungen Menschen ist ein gesunder, schöner Körper statistisch wichtiger, als Statussymbole. Longevity-Produkte und -Dienstleistungen sind häufig teurer und werden als Premiumangebote präsentiert. Prävention ist vielleicht sogar umsonst, aber irgendwie dabei nicht attraktiv. Erst die Kombination aus futuristischer Wissenschaft und exklusivem Zugang macht Longevity extrem attraktiv. Die Vorstellung, durch den Konsum dieser Produkte Zugang zu den neuesten wissenschaftlichen Errungenschaften zu haben und die eigene Lebensspanne zu verlängern, ist sehr verlockend. Diese Vermarktung führt dazu, dass Menschen weltweit Milliarden in Nahrungsergänzungsmittel und andere Longevity-Produkte investieren.

Der Aufschub des Handelns

Ein weiteres menschliches Verhalten spielt dem Longevity-Hype in die Karten: Wir neigen dazu, Investitionen in unsere Gesundheit aufzuschieben, bis Probleme auftreten. Prävention bedeutet, in eine Zukunft zu investieren, die man nicht sehen kann. Es ist eine abstrakte Idee, die auf der Vorstellung basiert, zukünftige Krankheiten zu vermeiden. Dies erfordert eine gewisse Weitsicht und Disziplin, die vielen Menschen schwerfällt. Longevity hingegen verspricht greifbare, positive Ergebnisse, oft mit sofortiger Wirkung. Es wird als aktive Verbesserung und Gewinn dargestellt, während Prävention oft als passive Abwehrmaßnahme wahrgenommen wird. Der Unterschied zwischen „etwas verhindern“ und „etwas gewinnen“ ist entscheidend für die Motivation der Menschen. Longevity bietet eine positive Perspektive, die auf Wachstum und Verbesserung abzielt, während Prävention oft als Vermeidung von Negativem wahrgenommen wird.

Ähnliche Prinzipien, unterschiedliche Wahrnehmungen

Dabei sind Longevity und Prävention in weiten Teilen ganz ähnlich. Beide beginnen mit den Grundlagen: Bewegung, ausreichend Schlaf, gesunde Ernährung und Stressmanagement. Diese Maßnahmen sind kostengünstig und für jeden zugänglich. Doch die Art und Weise, wie sie präsentiert werden, macht den Unterschied. Während Prävention als langweilig und mühselig erscheint, wird Longevity als aufregend und lohnend dargestellt. Die Realität ist, dass die Prinzipien hinter beiden Konzepten oft dieselben sind. Regelmäßige Bewegung, eine ausgewogene Ernährung, ausreichender Schlaf und effektives Stressmanagement sind die Grundpfeiler sowohl der Prävention als auch der Longevity. Diese Maßnahmen erfordern kein großes finanzielles Investment, sondern eher eine Veränderung des Lebensstils und der täglichen Gewohnheiten.

Der Einfluss von Sprache und Marketing

Der Schlüssel zu diesem Unterschied liegt in der Sprache und im Marketing. Prävention klingt nach Verzicht und Pflicht, während Longevity nach Gewinn und Verbesserung klingt. Diese unterschiedlichen Assoziationen beeinflussen unsere Bereitschaft, uns mit den jeweiligen Konzepten auseinanderzusetzen. Wörter haben eine immense Macht und können unsere Entscheidungen und Verhaltensweisen stark beeinflussen. Das Marketing spielt eine entscheidende Rolle dabei, wie diese Konzepte wahrgenommen werden. Longevity wird mit positiven, gewinnbringenden Bildern und Versprechungen vermarktet. Es wird als etwas präsentiert, das man aktiv erreichen und genießen kann. Prävention hingegen wird oft als etwas dargestellt, das man tun muss, um Schlimmeres zu verhindern, was weniger attraktiv erscheint.

It’s all the Marketing, Stupid

Es zeigt sich deutlich: Die Art und Weise, wie wir über Gesundheitskonzepte sprechen und sie vermarkten, hat einen enormen Einfluss darauf, wie sie von der Öffentlichkeit wahrgenommen werden. Longevity profitiert von einem positiven, gewinnorientierten Image, während Prävention oft mit negativen, abwehrenden Assoziationen kämpft. Wir könnten doch Prävention einfach neu branden und zu vermarkten – als etwas Exklusive, Positives, Gewinnbringendes und Erstrebenswertes. Denn am Ende des Tages zählt, dass wir gesund bleiben und ein langes, erfülltes Leben führen können. Und dafür ist Prävention genauso entscheidend wie Longevity. Indem wir die Sprache und das Marketing anpassen, können wir dafür sorgen, dass Prävention aus der Nische heraustritt und genauso attraktiv und wichtig erscheint wie die Versprechen der Longevity.

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Inga Bergen
Digital Transformation Expert