KI in Krankenkassen: Zwischen Potenzial und Herausforderung

Der Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) im Gesundheitswesen und bei Krankenkassen hat in den letzten Jahren spürbar an Dynamik gewonnen. Als Schlüsseltechnologie birgt KI das Potenzial, die Branche und zukünftige Ausgestaltung von Krankenkassen maßgeblich zu transformieren – von der Optimierung administrativer Abläufe über personalisierte Gesundheitsangebote bis hin zur Entwicklung präventionsorientierter Gesundheitskassen. Generative KI-Modelle wie ChatGPT zeigen nicht nur beeindruckende Fortschritte in der Analyse und Diagnose, sondern werden Studien zufolge zunehmend als kompetent und empathisch wahrgenommen. Doch um diese Potenziale vollständig auszuschöpfen, bedarf es einer strategischen Herangehensweise, die technologische Innovation mit regulatorischen und organisatorischen Anforderungen verbindet. Im Rahmen des MSD Gesundheitsforums 2024 widmete sich das Panel „KI im Gesundheitswesen: Krankenkasse der Zukunft“ diesen vielfältigen Chancen und Herausforderungen. Unter der Moderation von Dr. Regina Vetters (EY-Parthenon) diskutierten Franz-Helmut Gerhards (DAK-Gesundheit), Marcel Böttcher (BARMER) und Kornell Adolph (AOK) über die Potenziale von KI für Krankenkassen.

Wo kann KI helfen?

Die Begeisterung für KI ist groß, und die Anwendungsfelder sind vielfältig, doch der Weg zur erfolgreichen Umsetzung bleibt herausfordernd. Krankenkassen setzen KI bereits in ersten zentralen Handlungsfeldern ein: von der Kundenkommunikation über die Fallbearbeitung bis hin zur Krankenhausrechnungsprüfung. Chatbots und digitale Assistenten sind Vorreiter, wenn es darum geht, Anliegen von Versicherten schnell und effizient zu bearbeiten. Darüber hinaus eröffnen KI-gestützte Datenanalysen neue Möglichkeiten in der Prävention und Versorgung. Die Vision ist klar: Krankenkassen könnten sich zu Gesundheitskassen weiterentwickeln, die Versicherte nicht nur im Krankheitsfall begleiten, sondern proaktiv präventive Ansätze in den Mittelpunkt stellen. KI könnte den Übergang von einem kurativen zu einem präventionsorientierten Gesundheitswesen beschleunigen, indem sie Erkenntnisse aus großen Datenmengen für verbesserte Präventionsstrategien liefert.

Technische Hürden: Datenchaos meistern

Trotz der vielversprechenden Potenziale für diesen Wandel bleibt die technische Umsetzung anspruchsvoll. Krankenkassen stehen vor der Aufgabe, nicht nur ihre bestehenden IT-Systeme zu modernisieren, Datenquellen besser zu vernetzen, sondern auch neue Datenquellen zu erschließen. Wesentliche Elemente sind dabei:

• die Abstimmung technischer Systeme,

• die Nutzung hybrider Cloud-Lösungen

• und die Klärung von Datenfreigaben.

Zugleich erfordert der Umgang mit sensiblen Gesundheitsdaten eine weiterhin sorgfältige Balance zwischen effizienter Verarbeitung großer Datenmengen und striktem Datenschutz gemäß gesetzlichen Vorgaben wie der DSGVO.

Wandel beginnt im Kopf: Kultur und Organisation fokussieren

Technologie allein reicht nicht – der Erfolg von KI hängt maßgeblich von kulturellen und organisatorischen Faktoren ab. Organisatorisch stehen Krankenkassen vor der Aufgabe, KI-Anwendungen so zu implementieren, dass sie sowohl den Mitarbeitenden als auch den Versicherten zugutekommen. Führungskräfte sind gefragt, den technologischen Wandel aktiv zu gestalten und Mitarbeitenden Vertrauen in neue Tools zu vermitteln, die als Unterstützung und nicht als Bedrohung wahrgenommen werden sollten. Besonders bei KI-gestützten Entscheidungen bleibt der Mensch als letzte Kontrollinstanz unverzichtbar.

Interne Kompetenzen und langfristige Vision stärken

Der Einsatz von KI muss im Einklang mit den internen Kompetenzen und Ressourcen gestaltet werden. Einige Krankenkassen wie die BARMER setzen bereits gezielt auf interne KI-Entwicklungen und maßgeschneiderte KI-Lösungen, die spezifische Anforderungen erfüllen und gleichzeitig die Datensicherheitsstandards gewährleisten. Auch der Aufbau unternehmenseigener Kompetenzzentren wie der „KI Factory“ der DAK-Gesundheit ist entscheidend. Solche Zentren fördern nicht nur die Entwicklung spezifischer Anwendungen, sondern bereiten Mitarbeitende gezielt auf den Einsatz von KI vor. Langfristig können diese Initiativen nicht nur dazu beitragen, bestehende Prozesse zu optimieren, sondern auch das Geschäftsmodell von Krankenkassen grundlegend verändern – hin zu datengetriebenen, präventionsorientierten Akteuren im Gesundheitswesen.

Regulierung: Balanceakt zwischen Innovation und Sicherheit

Die regulatorische Basis für den Einsatz von KI bei Krankenkassen wird zunehmend geschaffen, doch viele Fragen bleiben offen. Gesetzliche Rahmenwerke wie die DSGVO oder der EU AI Act bieten Orientierung, doch innovative Anwendungen wie digitale Gesundheitsanwendungen (DiGAs) erfordern spezifische Richtlinien und Governance-Modelle, die oft noch in Entwicklung sind. Zudem gewinnen zentrale Governance-Fragen an Bedeutung: Welche Aufgaben übernimmt eine Maschine, welche ein Mensch? Und wie lässt sich diese Verteilung transparent und sicher gestalten?

KI bietet Krankenkassen die Chance, Prozesse effizienter zu gestalten und die Gesundheitsversorgung der Versicherten zu verbessern. Der Weg dorthin erfordert jedoch technologische Modernisierung, organisatorischen und kulturellen Wandel sowie klare Strategien für den KI-Einsatz. Mit einem gezielten Ansatz können Krankenkassen Vorreiter in der KI-Nutzung werden und den Wandel hin zu einem präventionsorientierten Gesundheitssystem aktiv mitgestalten.

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