User-Centered Design

Die Digitalisierung des Gesundheitswesens schreitet mit großen Schritten voran, und Digitale Gesundheitsanwendungen (DiGA) spielen eine zentrale Rolle in diesem Transformationsprozess. Ihr Potenzial, medizinische Versorgung zu verbessern und Patient:innen zu empowern, ist immens. Doch der Erfolg einer DiGA hängt nicht allein von technologischen Innovationen oder regulatorischen Vorgaben ab – er wird maßgeblich von der Fähigkeit geprägt, die Bedürfnisse der Nutzer:innen in den Mittelpunkt der Entwicklung zu stellen. Hier kommt das User-Centered Design (UCD) ins Spiel.

Was ist User-Centered Design?

User-Centered Design ist ein Ansatz, der darauf abzielt, Produkte so zu entwickeln, dass sie intuitiv, zugänglich und effektiv für die Zielgruppe sind. Dabei stehen die Perspektiven, Bedürfnisse und Einschränkungen der Nutzer:innen während des gesamten Entwicklungsprozesses im Fokus. Insbesondere bei DiGA ist dies entscheidend, da die Anwendungen nicht nur von technikaffinen Personen, sondern auch von älteren, chronisch kranken oder weniger digital versierten Patient:innen genutzt werden sollen. Laut ISO 9241-210 definiert sich UCD durch iterative Entwicklungsphasen, in denen Nutzer:innen aktiv eingebunden werden. Das bedeutet, dass bereits in der Konzeptionsphase Interviews und Fokusgruppen mit potenziellen Nutzer:innen durchgeführt werden. Prototypen werden getestet und auf Basis des Feedbacks kontinuierlich verbessert. Diese iterative Vorgehensweise minimiert das Risiko, an den tatsächlichen Bedürfnissen der Zielgruppe vorbeizuentwickeln.

Die besondere Herausforderung im DiGA-Bereich

Der Gesundheitssektor ist hochreguliert, und DiGA müssen strenge Anforderungen an Datenschutz, Interoperabilität und klinische Evidenz erfüllen, um zugelassen zu werden. Dieser regulatorische Druck kann dazu führen, dass Entwickler:innen den Fokus auf die Nutzerperspektive aus den Augen verlieren. Dennoch ist genau dies entscheidend, um eine breite Akzeptanz zu gewährleisten. Eine häufige Herausforderung ist das Spannungsfeld zwischen den Anforderungen der Kostenträger (Krankenkassen), medizinischen Fachpersonen und den Patient:innen. Während die Krankenkassen Effizienz und Kosten-Nutzen-Bewertungen in den Vordergrund stellen, erwarten Ärzt:innen, dass die Anwendung in ihre Arbeitsabläufe integrierbar ist. Patient:innen hingegen legen Wert auf einfache Bedienbarkeit, eine klare Sprache und konkrete Vorteile im Alltag. UCD hilft dabei, diese unterschiedlichen Anforderungen in Einklang zu bringen.

Praktische Ansätze für UCD in der DiGA-Entwicklung

1. Frühzeitige Einbindung der Nutzer:innen: Bereits vor der Entwicklung sollten Interviews mit der Zielgruppe geführt werden. Welche Probleme haben sie im Alltag? Welche Erwartungen haben sie an eine DiGA?

2. Personas und Use Cases: Basierend auf den Erkenntnissen aus der Nutzerforschung können Entwickler:innen Personas erstellen – fiktive, aber realitätsnahe Repräsentationen der Zielgruppe. Diese helfen dabei, die Perspektive der Patient:innen stets präsent zu halten.

3. Usability-Tests: Prototypen sollten regelmäßig getestet werden. Dabei können auch potenzielle Barrieren identifiziert werden, z. B. unklare Navigation oder komplizierte Registrierungsschritte.

4. Barrierefreiheit berücksichtigen: DiGA sollten für alle Patient:innen zugänglich sein – unabhängig von Alter, Behinderung oder technischem Verständnis. Dies erfordert beispielsweise die Einhaltung von Standards wie der BITV 2.0.

5. Iterative Entwicklung: Der Entwicklungsprozess sollte zyklisch sein. Feedback aus Tests wird nicht nur gesammelt, sondern direkt in die nächste Version integriert.

Fazit

In der Praxis gibt es bereits diverse DiGA, wie z.B. für Diabetes- oder Brustkrebs-Patient:innen, die nach UCD-Prinzipien entwickelt wurden und eine hohe Akzeptanz und Wirksamkeit erzielen. User-Centered Design ist kein optionales Add-on, sondern ein Muss für die erfolgreiche Entwicklung von DiGA. Es gewährleistet nicht nur, dass die Anwendung den Nutzer:innen tatsächlich einen Mehrwert bietet, sondern steigert auch die Marktakzeptanz und den langfristigen Erfolg. Entwickler:innen, die sich dieser Aufgabe widmen, leisten einen entscheidenden Beitrag zur digitalen Transformation des Gesundheitswesens – mit den Patient:innen als zentralem Maßstab für Innovation und Qualität.

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Malte Bornholdt